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Sokrates

Faro (Sokrates) ist ja nun seit Oktober bei uns. Von Anfang an hatte er keine Probleme mit den Katzen und verstand sich direkt prächtig mit Henry. Schon nach einer Woche hatten die beiden keine Berührungsängste mehr! Faro schaute in den ersten Tagen so extrem nach Henry, dass er beim Spaziergang nicht mal weiterlief, wenn Henry mal stehenblieb und so mal nicht vor uns war. Schnell lernte er, dass Spaziergänge toll sind und die Schublade im Flur deshalb auch - da ist unser Hundezubehör drin... Innerhalb von zwei Wochen kam er freudig an seiner 3-Meter-Ausziehleine angerast, wenn wir riefen. Nach ca. sechs Wochen dachten wir, wir machen ihn mal beim Spazieren gehen los. Hat ca. 20 Minuten lang gut geklappt - dannn entdeckte er was tolles und war weg... Ab in den Wald...den es hier leider überall gibt... Nach einer dreiviertel Stunde kam er uns, die wir suchend den normalen Spaziergehweg entlang gingen, entgegen und begrüßte uns...Ok, kann mal passieren... Also eine Woche lang wieder an die Leine und ein neuer Versuch... Am Wald blieb er brav... Ca. 200m vor'm Ortseingang verfiel er plötzlich in einen gemütlichen Trab und reagierte auf nix mehr... Nicht ängstlich, nicht zielstrebig, einfach mal ein bißchen vor sich hin traben und die Ohren ausschalten... Den zweiten Hof fand er interessant, kehrte ein und wurde dort von mir gestellt... Hund kam also letztendlich, also wieder gelobt... Nachdem es so noch zwei oder drei Mal passiert ist, gewöhnte er sich an, nicht mehr so schnell zurückzukommen... Einmal fanden wir ihn, nachdem er zwei Std verschollen war und wir mit dem Auto ALLE Feldwege abgefahren waren, am Straßenrand mit fremden Menschen, die ihn in ihrem Garten sahen - dank Blibkehalsband trotz absoluter Dunkelheit - und gerade mit ihm zur Polizei fahren wollten... Wir beschlossen dann irgendwann, dass es einfach nicht klappt mit dem Losleinen und ich kaufte ihm eine 8Meter Ausziehleine, an der er jetzt läuft... Schade eigentlich... An der Leine hört er perfekt... Ganz schnell hat er gelernt, dass man mir (wie Henry es jetzt schon seit zehn Jahren zu tun pflegt) bei jedem Raumwechsel hinterher läuft...immer wieder schön... Von Anfang an ließ er sich gerne streicheln und bürsten, wusste aber überhaupt nicht, wie er uns dazu auffordern soll... Während Henry seinen Kopf in meine Hand drängelte und wedelte wie ein bekloppter, stand Faro mit einem Abstand von 50 cm neben mir unter dem Tisch und guckte... Zum Glück hat er dann gelernt, Pfötchen zu geben... da wir uns am Anfang so dolle darüber gefreut haben, gab er jetzt immer Pfötchen, das heißt, er schlug mit der Pfote nach einem... Wenn man also auf einem Stuhl saß und plötzlich irgendwas auf das Knie schlug, war es Faros Pfote mit der Aufforderung: Streichel mich! Bis ich ihm das Bitte, bitte beibrachte (hinsetzen und mit beiden Vorderpfoten gleichzeitih hoch). Das ist noch toller als Pfötchen schmeissen. Mittlerweile wird also bei jedem Sitz, dass er macht, bevor es an die Leine geht oder es Leckerli gibt, kräftig bitte bitte und Pfötchen schmeissen gemacht...süß!

Nach ungefähr acht Wochen erschreckte er uns mit seiner ersten Ausbüxaktion ziemlich. Er nutzte die für eine halbe Sekunde zu lang offene Haustür und raste davon...weg war er... Leider hatten wir kein Hoftor... Trotz aller Vorsicht hat er das jetzt auch schon fünf oder sechs Mal praktiziert. Die Freizeit nutzt er gerne, um durch Ort zu traben und in fremden Höfen rumzustöbern... Er läuft nicht ins Feld, um zu jagen, sondern trabt gemütlich durchs Dorf, bis ihn jemand anderes als Micha oder ich (auf uns hört er dann nicht, der "Drecksack") findet, freundlich anspricht und zurückbringt. Ausgetobt und zufrieden sinkt er dann nachdem er uns schwanzwedelnd begrüßt hat, auf seine Decke und schläft... Er bekam dann einen Adressanhänger und das Halsband tagsüber nicht mehr ab... Diese Ausflüge haben bis zu zwölf Stunden gedauert, nach dem dritten Mal machten wir uns gar nicht mehr auf die Suche - sowieso ein chancenloses Unternehmen - sondern warteten schlaflos darauf, dass ihn jemand zurückbringt... Im Hof hat er eine 20 Meter Schleppleine, mit der er sich zwar gut bewegen kann, aber halt angeleint ist... Seit Sonntag hat er eine neue Freiheit, die unser Zusammenleben sehr entspannt und verschönert: Ein Hoftor! Er sucht gar nicht nach Ausbruchsmöglichkeiten, sondern ist total entspannt und genießt es, zwischen Haus und Hof bei ganztägig offener Haustür zu wechseln, wie es ihm gefällt. Offensichtlich braucht er nur die Gewißheit, dass da was ist, was ihn am Weglaufen hindert und schon ist der innere Schweinehund, der sagt: "Laufen laufen laufen" weg.

Sehr schön ist, dass er nach und nach gelernt hat, zu kuscheln. Beim ersten Mal schaute er sich dass bei Henry ab, der sich, nachdem ich mich auf den Boden setzte, zwischen meine Beine schmiss und seinen Kopf auf meinen Oberschenkel legte... Faro hat das Ganze ganz vorsichtig ausprobiert, sich neben mich gelegt und erwartungsvoll angeschaut... Total süß, wie unbeholfen dieser Hund war und teilweise jetzt noch ist... An sich liebt er jeden, habe noch niemanden getroffen, wo er nicht gerne hinwollte bzw auf freundliches Ansprechen sofort mit wedeln reagierte... Aber wenn es dann um eine nähere Kontaktaufnahme geht, weiß er nicht, wie er das anstellen soll... Mittlerweile fordert er mich zum Schmusen auf, in dem er sich vor mich stellt und wedelt, setze ich mich dann hin, schmeißt er sich neben mich, als ob er noch nie etwas anderes getan hätte... und gibt Pfötchen.

So, jetzt habe ich versucht, ein dreiviertel Jahr zusammen zu fassen, was natürlich überhaupt nicht geht... Die vielen kleinen Momente, die mich so berührten und so große Schritte waren, kann ich gar nicht erzählen, da säße ich in zwei Wochen noch hier... Alles in allem ist er ein wunderschöner und superlieber Hund, der sich toll eingelebt hat, mittlerweile ganz stubenrein ist (war er von Anfang an, aber da sind manchmal noch "Unfälle" passiert) und mich den ganzen Tag lang verfolgt, sich nichts Schönere als Spaziergänge und schmusen vorstellen kann und dank Hoftor hoffentlich nicht mehr ausbüxt. Dass er nur an der Leine laufen kann, ist schade, aber da habe ich mich mittlerweile dran gewöhnt. Ich glaube, er entwickelt sich auch noch weiter, was das personenbezogene angeht. Momentan ist es noch so, dass er uns zwar liebt, aber alle anderen Leute halt auch toll sind und er uns da nicht unbedingt bevorzugt. Er begrüßt jeden, den wir treffen (auch wenn er sich besonders freut, wenn wir heimkommen), liebt Kinder und alle Hunde... Ich denke, weil er so hübsch ist, hat er bisher nur gute Erfahrungen mit allen Menschen gemacht, weshalb er bei niemandem auch nur den Anflug von Mißtrauen zeigt. Versteht mich nicht falsch, es freut mich für ihn unendlich. Und doch ist es schön, wenn man einen Hund hat, der andere Menschen ignoriert und den eigenen Menschen liebt, dem der eigene Mensch so wichtig ist, dass er auch ohne Leine bei ihm bleibt, anstatt sich über die Freiheit zu freuen und einfach loszudüsen... Dafür ist Faro der Hund, der sich, wenn wir den Kindergarten beim Spaziergang treffen, schwanzwedelnd und Küsschen gebend den zwanzig auf ihn zustürzenden Kindern stellt, während Henry einen Sicherheitsabstand von 3 Metern hält und höchstens einzelne Kinder bei sich duldet, bevor er einfach weggeht... (August 2007)