by Tina_Fischer » Fri 28. Jan 2011, 23:14
So nun wie versprochen noch eine kleine Gute Nacht Geschichte (leider ohne Fotos da es hier nur bewölkt ist und den ganzen Tag viel zu Dunkel):
MacGyver`s erster Sherpa-Tag
Da wir ja Umweltbewusst sind und Bewegung eh gut tut, legen wir ein bis zwei mal die Woche einen Sherpa-Tag ein.
Nun was ist ein Sherpa-Tag? Wir sind die Sherpas und laufen ungefähr 8 Kilometer ins Tal in die nächst größere "Stadt" Leutenberg. Dort geht`s dann zur Post, wir kaufen was ein oder ganz toll wir futtern uns bei meinen Eltern durch.
Vor fast zwei Wochen hatten wir unseren ersten Sherpa Tag gemeinsam mit MacGyver. Natürlich trug er auch wie es sich gehört seinen Eselhundesack, Kevin den großen Sherpa-Transport-Rucksack mit der Post und ich die Verantwortung. Marek musste in der Zeit das Haus hüten.
Als alles im Tal erledigt war machten wir uns wieder auf den Heimweg. Da MacGyver immer noch Fit wie ein Turnschuh war, dachten wir uns Rückwärts den Weg durchs Ilmtal zu nehmen. Zwar der längste Weg um wieder nach Hause zu kommen, aber mit der Schönste. Im Ilmtal führt der Weg mehrere Kilometer durch ein enges langgestrecktes Tal um dann am Ende knapp 300 Höhenmeter aufzusteigen. Eigentlich braucht man ca. 1 3/4 Stunde.
Eigentlich.
Am Anfang war auch alles noch ganz wunderbar. MacGyver genoss es jedenfalls sehr. Ein ganzes Tal voller Wildspuren nur ganz allein für ihn und außerdem kannte er diesen Weg noch nicht und das macht das Ganze natürlich doppelt so spannend. Nach gut vier Kilometern hörten die in den Schnee gefahrene Geländewagen Spuren auf und somit auch die Motivation der Wanderer die vor uns hier entlang kamen. Das hieß ab hier für uns schneespuren. Netterweise übernahm mein Mann diese ehrenvolle Aufgabe. Das vierbeinige Flummi störte sich natürlich überhaupt nicht an dem fast kniehohen Schnee, war allerdings etwas enttäuscht, dass die Zweibeiner nun nicht mehr so schnell voran kamen. Diese Schwächlinge. Er hat halt eindeutig einen evolutionärer Vorteil - den Vierbeinantrieb.
Dann kam der erste Baum der quer über dem Weg lag (es hat diesen Winter extrem viel Schneebruch gegeben). Also gut Klettern ist angesagt. MacGyver fliegt förmlich über den Baum, bei den muskelbepackten Hacksen auch kein Wunder. Unser eins sieht dabei allerdings nicht so elegant aus. Baum überwunden und schon kam der nächste und der nächste ... ganze Wälder lagen hier kreuz und quer in der Gegend rum. MacGyver an der Schleppleine wollte immer, weil`s für ihn bequemer ist, unten drunter durch, wir allerdings oben drüber. Nach kurzem entknoten hatte er es kapiert und kämpfte sich todesmutig über die Bäume. Als gar nix mehr ging, wichen wir lieber auf die moorastische Wiese aus und umgingen soweit wie möglich die schlimmsten Stellen. Langsam nahmen wir die Farbe von Matsch an und auch dessen Feuchtigkeitsgehalt. Wieder auf dem Weg ging`s weiter mit der Kletterei.
Sollten wir vermarkten - Thüringer Naturagility.
Wir hatten nun schon so ca. die ersten hundert Bäume bewältigt und knapp die Hälfte der Strecke hinter uns als es langsam zu dämmern anfing. Nun kam die nächste Prüfung. Eine Seedurchquerung. Eigentlich war da mal ne Wiese mit einem Weg, doch durch die Schmelze hat sich das Ganze zu einem breiten schnell fließendem Gewässer verwandelt. Bis zum anderen Ufer waren es gut 100m. Ach was soll`s ist ja nur Wasser. Wie rennende Störche stürzten wir uns in die Fluten. Ein hocherfreuter, schlammbespritzter und sichtlich glücklicher Hund voraus. Nassen Fußes am anderen "Ufer" angekommen erwartete uns das schwerste Stück. Der Aufstieg - auch ohne Schnee, Dunkelheit und Baumchaos leicht anstrengend. MacGyver begann sich bestimmt langsam zu fragen warum wir denn nicht das Auto genommen haben. Es war jetzt mittlerweile so Dunkel das wir fast nicht mehr die lauter Bäume sahen, wegen denen wir den Wald nicht sahen und irgendwie machte es ab diesem Zeitpunkt nur noch einem Spaß.
Es wurde Nacht - die Zeit des Jägers. Auge, Nase und Ohren gefolgt vom restlichen Hund lauschten hochaufgeregt jedem kleinsten Geräusch und folgten jeder geringsten Duftspur. Wir folgten einfach nur dem Weg, oder dem bisschen davon was unter den ganzen Bäumen noch übrig war. Der Wald meinte es echt nicht gut mit uns, ein Baum lag hinter dem anderen, kreuz und quer. Wir krochen, kletterten und schoben uns über und unter den Bäumen entlang. Schnee im Genick und einen halben Nadelbaum im Haar inklusive und das gut zwei Kilometer steil Bergauf. Umso lustloser und kraftloser wir wurden, umso mehr war ich beeindruckt von MacGyvers Kletterkünsten. Wirklich wie ein Offroader mit Allrad wühlte er sich mühelos überall durch. Irgendwann waren wir doch tatsächlich oben angekommen. Es war nun richtig Dunkel. Plötzlich tauchte MacGyver neben mir mit einem Stock im Maul auf. Halt. Der interessiert sich doch gar nicht für Stöcke oder dergleichen. Und ohne es genau zu sehen wusste ich, das war kein Stock. Es war Muffel. Genauer gesagt ein Muffelvorderbein. Das Straßenhunde aber auch immer alles finden müssen. Stolz wie Schmitz Katze trug er seine Beute mit hocherhobenen Kopf vor mir her. Fressen ging ja nicht, denn wir wollten endlich nach Hause. Was aber noch etwas dauerte, denn es ging schonungslos weiter mit der Bäumerei. Ich kam mir langsam vor wie ein Springpferd im Hindernisparcour oder ein Eichhörnchen oder doch eher wie ein blöder Wanderer der einfach den falschen Weg genommen hatte. Die Baum-Mauer vor der wir jetzt standen stellte uns aber kurzzeitig vor echte Probleme. MacGyver kam, natürlich behindert durch seinen Muffelfuß nicht mehr drüber (gut 2,5 m hoch aufgetürmter Wald ist ja auch kein Pappenstiel), behielt das Ding aber auf Teufel komm raus weiter im Maul. Wie in einem heroischen Ami Kriegs-Film "geht lasst mich zurück ich bin ja eh schon ein toter Muffelfuß", "Nein, auf keinen Fall hier wird niemand zurückgelassn auch wenn ich dich Kilometerweit durch den Wald tragen muss". Und zu allem übel war mein Mann auf einmal verschwunden, bzw. schaute nur noch zu gut einem drittel zwischen einem wirwarr aus Bäumen heraus. Ich also Hund samt Muffelfuß geschnappt und erstmal auf den Bäumen geparkt, zu Kevin gekrochen und ihm von dem Baum befreit der sich in seinem Rucksack verbissen hatte um dann mich selbst irgendwie da drüber zu bekommen. Irgendwann war auch das geschafft und dann endlich fanden wir Autospuren. Nach Wochen in der Wildnis, hartem Überlebenskampf im Winter in den Thüringer Bergen trafen wir wieder auf die Zivilisation. Noch drei Kilometer und wir sind Zuhause. Da wir nun nicht mehr klettern mussten, hatte mein Kopf Zeit sich Gedanken darüber zu machen wie ich es am besten schaffe, ohne das MacGyver es mitbekommt, ihm diesen, ich möcht gar nicht Wissen wie alten, Kadaverknochen abzuluchsen. Je mehr wir liefen desto unwahrscheinlicher wurde es, dass er ihn vielleicht irgendwie ablegt, weil er keine Bock mehr hat. Kurz vor Landsendorf musste es aber doch sein, denn in der Wohnung haben wollte ich es nicht. Wir machten also etwas pietätlose "giiiib miiirrrrr den Knochennnn" Spiele und ließen seine Beute einfach in der Kälte der Nacht zurück. Ich hatte ja so ein schlechtes Gewissen und wie er hinter seiner Kilometerweit durch den Wald getragenen Beute herschaute, armer Kerl, da tat er mir echt Leid. Der Muffelfuß war aber spätestens dann vergessen als er dem Dorfstinkerhund zeigen musste wer hier im Ort der Chef ist. Er schafft es dabei einen so tiefen fast nicht hörbar Brummton zu erzeugen das die ganze Leine vibriert. Nach gut 4 Stunden waren wir dann endlich Zuhause. Für MacGyver gab`s als Entschädigung erstmal eine richtig große Portion Fleisch und für uns trockene Klamotten.
Das war ohne Zweifel einer der spannendsten Sherpa-Tage die wir bis jetzt hatten und ich glaube, nein ich weiß, ich bin noch nie in meinem Leben über so viele Bäume geklettert und werde es wahrscheinlich auch nie wieder tun. Beim nächsten mal nahmen wir selbstverständlich einen anderen Weg. MacGyver allerdings freut sich seit dem Tag noch um einiges mehr wenn wir zum Gassigehen aufbrechen, also hat`s im scheinbar sehr gefallen, vielleicht hofft er aber auch nur seinen heiß geliebten Muffelfuß wieder zu finden.
LG Tina
Mit den beiden Fellnasen MacGyver und Indiana
Im Herzen Marek, Qui-Gon Jinn, Obi Wan Kenobi, R2D2, Taka, Bruce, Willy, Lily, Eddy, Horus, Jean Luc und alle Anderen die einige Schritte meines Lebens mit mir gegangen sind.
"Gute Worte haben ein kurzes Leben, wenn sie nicht zu Taten werden"
Chief Joseph