Herbst 2024 – Kastrationsaktion in und um Rovinari

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Herbst 2024 – Kastrationsaktion in und um Rovinari

Puh, geschafft. Unsere Herbstkastrationskampagne liegt (zum großen Teil) nun hinter uns. Die Organisation gestaltete sich im Vorfeld diesmal derart nervenaufreibend, dass ich erstmal ein bissen durchatmen musste, bevor ich mich an einen Bericht setzen konnte.

Fangen wir vielleicht erst einmal mit erfreulichen Dingen an. Auch diesmal haben wieder mehrere Vereine gemeinsam an einem Strang gezogen. Dadurch war es möglich, den Umkreis der Kastrationsaktion zu vergrößern, also noch flächendeckender zu arbeiten. Beteiligt waren diesmal die Mira Tierhilfe e.V., Vierbeiner in Not e.V., der Freundeskreis Brunopet e.V. und Tiere in Not Austria. Ich möchte es immer wieder betonen: Ich schätze dieses gemeinsame Arbeiten sehr und es freut mich immer wieder, mit so tollen Vereinen und den zugehörigen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen. Gemeinsam potenziert man Ressourcen und gerade im Bereich der Kastrationskampagnen ermöglicht das deutlich effizientere Einsätze.

Vor Ort im Einsatz war das von uns geschätzte Team von Animus Vet, von dessen hervorragender, sorgfältiger Arbeit wir uns bereits durch die zurückliegenden Kastrationseinsätze überzeugen konnten.

Medizinische Einsätze unterliegen, wie in Deutschland auch, speziellen behördlichen Vorgaben. Nicht jede*r Tierärzt*in darf einfach jederzeit und überall Tiere operieren. Entsprechende Genehmigungen müssen vorliegen, Räumlichkeiten müssen abgenommen und zugelassen sein. Genau an dieser Stelle wurde es diesmal holprig. Seit der letzten Kastrationskampagne hatten sich einige Bestimmungen geändert und die Kommunikation mit den verantwortlichen Stellen verlief, wohlwollend ausgedrückt, etwas schleppend. Trotz einer sehr frühzeitigen Ankündigung unseres Vorhabens erhielten wir an manchen Stellen erst sehr kurz vor dem Start die behördlichen Zusagen. Somit blieb teilweise nur ein kleines Zeitfenster für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Würde dieses Zeitfenster reichen, um genügend Menschen zu überzeugen, ihre Hunde zur Kastration zu bringen?

Am ersten Standort in Motru zeigte sich die Situation besonders knifflig. Hier ging es unter anderem um eine feste Hundegruppe, die auf einem Firmengelände lebt und dort auch versorgt wird. Diese Hunde sind jedoch insbesondere Fremden gegenüber sehr scheu. Glücklicherweise verfügt das medizinische Team von Animus Vet über eine Genehmigung und das Equipment, um in diesen Situationen Hunde mit einem Narkosegewehr zu betäuben. Leider ist der Materialaufwand beim Einsatz des Gewehrs oder Blasrohrs teuer und auch der zeitliche Aufwand ist hoch. Am Ende konnten wir jedoch recht sicher sein, dass alle Hunde dort erwischt werden konnten und es vorerst in dieser Gruppe keinen Nachwuchs mehr geben wird. Warum nur vorerst? Auch in festen Gruppen findet eine gewisse Fluktuation statt, es kommt im Laufe der Zeit zu Abwanderungen aber hin und wieder auch Zuwanderungen neuer Hunde. In einem Land mit einem derart hohen Aufkommen an freilebenden Hunden ist es gerade deshalb so wichtig, nicht nur einmalig, sondern nachhaltig und flächendeckend zu kastrieren.

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Alena mit einer Straßenhündin im Arm

Glücklicherweise trafen am zweiten Tag auch Alena und Antonia aus Deutschland ein, um das Projekt zu unterstützen. Durch den Kontakt zu einem sehr aktiven Tierschützer in Turceni konnten wir einen großen Transporter buchen, in den viele Hundeboxen passten. Dort wo es die Menschen nicht selbst schafften, die Hunde zu bringen, spielten Alena und Antonia nun Taxi, holten die Hunde ab und brachten sie auch wieder zurück. Dies war eine immense Erleichterung, denn nun konnte sich das medizinische Team voll und ganz auf das Operieren konzentrieren und mussten nicht mehr selbst zum Fangen ausrücken. Besonders effektiv sind die Einsätze immer dann, wenn engagierte Tierschützer*innen vor Ort Alena und Antonia begleiten. Denn diese wissen zum einen, wo sich die Hunde wann aufhalten und zum anderen lassen sich die Hunde von den ihnen vertrauten Menschen oft problemlos einfach in die Boxen setzen. Für die weniger kooperativen Fälle kam wieder unsere bewährte Falle zum Einsatz.

Insgesamt konnten an 4 Tagen 310 Tiere kastriert werden. Weitere 200 Tiere sind noch angemeldet, mussten aber aufgrund der eingangs beschriebenen Schwierigkeiten verschoben werden. Ende des Monats wird das Team daher noch einmal in diese Gegend kommen und auch diese Tiere operieren. Auch davon werden wir berichten.

Nun möchte ich Alena mit einigen Eindrücken, die sie bei diesem Einsatz mitnehmen konnte, zu Wort kommen lassen.

Für mich war es nun der dritte Besuch in Rovinari. Für Antonia hingegen war es der Erste in Rumänien überhaupt. Dennoch ist sie bereits seit vielen Jahren Pflegestelle für den Freundeskreis Brunopet und hat ein großes Herz sowie ein Händchen für die eher schüchternen und ängstlichen Hunde. Wir beide sind seit vielen Jahren eng befreundet und können sehr gut als Team zusammenarbeiten. Das ist bei den Einsätzen in Rovinari ein großer Vorteil. Für mich war es schön in Rumänien bekannte Gesichter aus den letzten Einsätzen zu sehen. Dazu zählt das Team der rumänischen Tierärzt*innen, die Mitarbeitenden des Tierheims sowie der oben genannte Tierschützer aus Turceni.

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Tierschützerin aus der Nähe von Turceni (lila Jacke) mit den eingesammelten Katzen und Hunden

Wie eingangs beschrieben, verlief die Planung und Organisation der Kastrationsaktion dieses Mal sehr holprig. Nachdem zunächst ein Tageseinsatz in Turceni geplant war, hier aber die Sorge bestand, dass sich ein ähnliches Szenario wie in Motru abspielen würde, verlagerte sich dieser geplante Tag nach Rovinari. Hier gab es bereits einige Anmeldungen. Eine Tierschützerin aus der Nähe von Turceni hatte bereits um die 20 Hunde sowie mehrere Katzen angekündigt. Wir vereinbarten mit ihr also, diese bei ihr mit dem gemieteten Transporter abzuholen, nach Rovinari zu Kastration und anschließend wieder zurückzubringen. Auf dem Weg dorthin waren wir schon mit dem Tierschützer aus Turceni in Kontakt, der uns bat, ihm bekannte Hunde aus der Gegend mit seiner Hilfe einzusammeln und zur Kastration zu bringen. Schnell wurde klar, dass sich ein Einsatz vor Ort in Turceni auf jeden Fall lohnen würde, da die Distanzen zwischen den einzelnen Orten weit sind. Kurzfristig haben wir mit dem Vet-Team also den Einsatz am darauffolgenden Tag wieder zurück nach Turceni verlegt. Was noch fehlte, waren passende Räume mit einem Wasser- und Stromanschluss. Neben dem mobilen Kastrationsmobil stehen noch zwei weitere Operationstische zur Verfügung, die einen geschützten Ort benötigen. Eine kurze SMS vom Vet-Team an den Bürgermeister von Turceni und dieser stellte sofort geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung. Diese Kooperationsbereitschaft ist wirklich Goldwert. Auch für die zukünftige Zusammenarbeit sicherte er uns seine volle Unterstützung zu.

Wir konzentrierten uns also an unserem ersten Tag zunächst auf die Hunde in Rovinari. Ich habe viele Hunde mit Ohrmarken auf den Straßen und in der Miene wieder erkannt. Gleichzeitig sind leider einige junge Hunde und tragende oder säugende Hündinnen dazu gekommen. Glücklicherweise waren viele davon so zutraulich, dass wir sie ohne großen Aufwand einsammeln konnten. Eine uns sehr gut bekannte Tierschützerin aus Targu Jiu half uns in der Miene eine ganze Gruppe von Junghunden sowie weitere erwachsene Hunde einzufangen.

An einem Fluss nahe dem Tierheim befinden sich mehrere Hundegruppen, die offenbar gut versorgt werden und auch relativ zutraulich sind. Auch hier konnten wir Hunde einsammeln und kastrieren. Unter ihnen befindet sich zudem eine Mutter mit sehr jungen Welpen. Wir hoffen, dass wir die Familie im Laufe des nächsten Jahres fangen und kastrieren können.

Harmonische Hundegruppe. Einen Teil konnten wir einfangen und kastrieren

Gefüttert, gefangen und kastriert

Tierschützer füttert Hündin mit Welpen an, um sie zu einem späteren Zeitpunkt fangen zu können

Der dritte Tag der Kastrationsaktion startete für Antonia und mich um 06:30 Uhr. Zunächst brachten wir die Hunde, die am Vorabend kastriert wurden, zurück an ihren Lebensort. Das ist jedes Mal der schönste Teil. Die Hunde steigen meist noch etwas verwirrt, aber durchaus erleichtert aus dem Transporter und werden von ihren Hundekumpels freudig in Empfang genommen. Hunde, die an einem sicheren Ort in einer Gruppe leben und zuverlässig durch den Menschen versorgt werden, können ein tolles Leben in Freiheit führen. Dann ging es für uns weiter nach Turceni zu der Tierschützerin mit den 20 Hunden. In unserer Vorstellung lebten diese Hunde bei ihr auf einem Gelände. Als wir ankamen, stellte sich heraus, dass es sich um Privathunde aus ihrem Dorf handelte. So fuhren wir gemeinsam mit ihr und weiteren Helfer*innen aus ihrem Freundeskreis von Haus zu Haus, hupten kurz und ließen uns von den Menschen die Hunde (und auch Katzen) in den Transporter setzen. Vielen von ihnen fiel der Abschied auf Zeit von ihren geliebten Vierbeinern sichtlich schwer. Das Vertrauen, das diese Menschen in uns – für sie völlig fremde Personen aus einem anderen Land – haben, weiß ich sehr zu schätzen. In einem Notizbuch wurde von der Tierschützerin genau dokumentiert, wer wie viele Tiere mitgeben wollte und dies schlussendlich auch getan hat. Somit hatten wir einen genauen Überblick.

Nachdem wir am Ende der Tour 19 Hunde und 6 Katzen zur Kastration abgegeben haben, sind wir mit dem Tierschützer aus Turceni weitere Orte abgefahren, an denen sich unkastrierte Hunde befinden. An einer Straße, die durch den Wald führt, also fernab eines Dorfes, lag seit zwei Monaten eine Hündin mit einem großen Tumor, wahrscheinlich ausgesetzt. Wir fanden die sehr liebe und zutrauliche Labrador-Mix-Hündin mit einem mindestens faustgroßen, offenen Mamma Tumor. Sie wurde umgehend vom Vet-Team operiert. Zusätzlich war die Hündin hochtragend. Leider konnte keines ihrer Welpen gerettet werden. Welche Schmerzen sie in den letzten Monaten ertragen haben musste, wagen wir uns kaum vorzustellen. Die gute Nachricht ist, dass das Vet-Team sie mit nach Bukarest genommen hat, dort weiterhin versorgen und für sie ein schönes Zuhause suchen wird. Wir sind sehr dankbar, dass auch solche Fälle ohne Wenn und Aber vom Vet-Team neben den eigentlichen Kastrationen angenommen werden.

Auch an diesem Tag konnten wir dank der Unterstützung des Tierschützers aus Turceni weitere Privathunde einsammeln. Hätten wir statt einem Transporter fünf zur Verfügung gehabt, wären auch diese am Ende voll gewesen. Hier gilt ebenso: wir kommen wieder.

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Weiter ging es. Auf unserer Route lag eine Stelle an einem Wasserlauf zwischen Wiesen und Feldern, an der sich neben einem von uns kastrierten Hund noch weitere Junghunde aufhalten sollten. Einen von ihnen bekamen wir zu Gesicht. Dieser hatte so starke Hautprobleme, dass er keinen Meter gehen konnte, ohne sich zu schütteln oder zu kratzen. Zum Glück zeigte auch er sich sehr zutraulich. Wir stellen nun die entsprechenden Medikamente zur Verfügung, die unser Tierschützer vor Ort regelmäßig verabreichen wird, sodass auch dieser Junghund bald beschwerdefrei sein wird.

Der Tag endete für Antonia und mich sehr spät und mit einer Überraschung. Nachdem wir gegen 21:30 Uhr den überglücklichen Dorfbewohner*innen vom Morgen ihre kastrierten Hunde und Katzen wiederbringen konnten (auch dies wieder mit Hilfe der Tierschützerin und ihren Freund*innen), hatten wir zu unserem Hotel noch einen Fahrtweg von gut anderthalb Stunden vor uns. Der Großteil führte über eine wunderschöne Hügellandschaft, fernab jeglicher Zivilisation. Und da saß sie, im Scheinwerferlicht unseres Transporters, als wir auf einer Schotterpiste an einer (illegalen) Müllhalde vorbeifuhren. Ein minikleines Hündchen, beige, struppig, zusammengekauert auf einem Plastiksack. Weit und breit kein anderer Hund in Sicht. Als wir ausstiegen, lief sie schüchtern hinter den Müllberg und in einen Graben, kam dann aber schnell wieder und warf sich vor uns auf den Rücken. Gierig fraß sie unser Futter, dass wir auf solchen Touren immer an Board haben. Uns war klar, dass sie ausgesetzt sein musste und hier nicht lange überleben würde. Durch ihre Katzengröße war sie leichte Beute für Raubtiere, mal von dem bevorstehenden Winter ganz zu schweigen. Keine zehn Sekunden später fuhr die Kleine auf unserem Schoß brav mit uns zu unserer Unterkunft. Dort waren eigentlich keine Hunde erlaubt, aber es war ja schon spät und außerdem war sie größentechnisch ja nicht wirklich ein richtiger Hund… Wir schmuggelten sie also hoch in unser Zimmer, badeten sie erst mal, entfernten zahlreiche Zecken, gaben ihr zu Fressen und ehe wir uns umsehen konnten, lag sie zufrieden auf dem Kuschelteppich neben dem Bett und schlief tief und fest.

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Bambi am Fundabend

Kurze Abstimmung mit dem Vet-Team noch mitten in der Nacht: wir dürfen sie auf unserem Rückweg nach Bukarest zu ihnen bringen. Dort wird sie geimpft, kastriert und für die Reise nach Deutschland fertig gemacht. Planmäßig soll sie hier im November auf eine Pflegestelle nach Berlin reisen und ist dann bereit für ein Zuhause. Obwohl diese kleinen Hunde so gar nicht unserem Typ Hund entsprechen – das ist eher der mittelgroße, langbeinige Durchschnittsrumäne – haben wir uns Hals über Kopf ist sie verliebt. Sie begleitete uns am nächsten Tag auf unserer Tour klaglos im Transporter, ist sowohl großen als auch kleinen Hunden selbstbewusst, aber sehr wohlwollend begegnet, hat Kinderherzen erobert und war mit uns völlig problemlos abends im Restaurant. Am nächsten Tag sind wir nach Bukarest gefahren, wo unser Rückflug nach Deutschland ging, und haben sie dem Vet-Team übergeben. Ach so, ein Besuch bei Fressnapf musste natürlich auch noch sein. Zum einen wollten wir dem Vet-Team für sie etwas Futter mitgeben, zum anderen wollten wir ihr ein Halsband kaufen, um sie deutlich zu kennzeichnen. In der Katzenabteilung wurden wir fündig. Nun warten wir alle sehnsüchtig auf November.

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Fundort Bambi

Bambi am nächsten Tag mit uns on Tour

Bambi im Restaurant in Rumänien

Bambi bei Fressnapf, Vorbereitung auf ein Leben in Deutschland

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Der Einsatz in Rovinari und Turceni war wie jedes Mal mit ambivalenten Gefühlen verbunden. Wir haben viele glückliche, gesunde und wohlgenährte Straßenhunde gesehen. Wir haben Menschen gesehen, die sich gut um ihre Hunde kümmern und sich um sie sorgen. Gleichzeitig haben wir von einzelnen Privatmenschen Kettenhunde übergeben bekommen, die bei der Rückgabe gar nicht froh darüber schienen, wieder bei ihren Menschen zu sein. Doch wohin mit ihnen? Das Tierheim von Rovinari ist übervoll und zudem kein schöner Ort. Hier sind wir während unseres Aufenthalts nur kurz durch die Zwinger gegangen und haben in viele hoffnungsvolle, aber auch hoffnungslose Hundeaugen geblickt. Es gilt also weiter am Ball zu bleiben und so vielen Hunden wie nur möglich die Chance auf ein besseres Leben zu geben.

Alena (Oktober 2024)