von S. Simon Im Januar 2005 ging ein Hilferuf des kleinen Rumänischen Tierschutzvereins Bruno Pet durch das WWW. Es hatten am 24.12.2004 Mitarbeiter des städtischen Tierheims der Stadt Suceava, Rumänien, Hunde auf bestialischer Art & Weise gefoltert und getötet. Sie warfen lebende Hunde in ein Fass heißem Teer, prügelten, traten erschlugen die Hunde und hackten angeblich einen Welpen eine Pfote ab. Die Hunde erlitten schwerste Verbrennungen, Brüche und hatten teilweise Anal- bzw. Gebährmutterprolapse vor lauter Schmerzen. Zwei Hunde wurden tot aufgefunden, 2 weitere mussten euthanasiert werden – insgesamt ca. 40 Hunde wurden „geteert“. Dieser Hilferuf landete auch in meinem Forum Gesundehunde. Es landen viele Hilferufe in meinem Forum. Man liest sie, findet es schlimm, überweist ein bisschen Geld, schickt mal Sachspenden, dankt Gott dass es einem selbst so gut geht und lebt sein Leben weiter. Was soll man sonst auch tun?
Ich bin kein aktiver Tierschützer – ich spende mal hier, mal da, nehme den einen oder anderen Notfall auf und widme mich anderen Aufgaben.
Aber irgend etwas an dieser Geschichte bewegte mich mehr als sonst. War es die besonders abartige Quälerei, die statt gefunden hatte? War es die Dringlichkeit des Hilferufes selbst? Oder war das Maß nun endlich voll? Auf jedem Fall schrieb ich ausnahmsweise öffentlich ins Forum, wie es mir mit dieser Geschichte ging, nämlich schlecht. Und anscheinend ging es nicht nur mir so – die Resonanz im Forum war gewaltig und eine Lawine kam ins Rollen. Ich rief mehrmals in Rumänien an und sprach mit Liliana, der Verfasserin des Hilferufs. Es war klar, es müsse was passieren. Es war klar, sie bräuchten dringend Hilfe.
Immer mehr Leute im Forum signalisierten ihre Hilfsbereitschaft und die Idee als Forum Spenden zu sammeln wurde in die Tat umgesetzt. Es wurde immer mehr und ich suchte Kontakte in Deutschland, die sich mit Tierschutz auskannten und uns helfen könnten, sinnvolle Hilfe zu leisten. Ich sprach mit einer Menge Leute und traf letztendlich auf einer Deutschen Tierschutzorganisation. Dieser TSV eröffnete sofort ein Sonderkonto für den Rumänischen Tierschutzverein, Bruno Pet, und so können die Forumsmitglieder Spendenquittungen bekommen.
Wir setzten die Idee von Patenschaften um, um für eine möglichst langfristige Hilfe zu sorgen. Wir nahmen Kontakt auf zu Robert Smith, dem Leiter der rumänischen Tierschutzorganisation FPCC. Robert’s Organisation führt so genannte „castrate & release“ Programme in ganz Rumänien durch, so hatten wir einen erfahrenen Ansprechpartner vor Ort.
Es kam immer mehr Geld zusammen und immer mehr GH Mitglieder zeigten Interesse. Die Idee einer Forumspatenschaft für Bruno Pet war geboren. Nur hatte ich in der Vergangenheit schon einiges an dubiosem Auslandstierschutz mitbekommen und wusste, Vorsicht ist geboten. Es sollte mal einer nach Suceava, Rumänien fahren und die Situation vor Ort begutachten. Ich fühlte mich verantwortlich meinen Forumsmitgliedern gegenüber sicherzustellen, dass sie nicht betrogen werden und ihre Spenden auch wirklich diesen Hunden zugute kommen. Kurzerhand entschloss ich mich, selbst hinzufahren.
Auf einmal wurde ich von allen Seiten gewarnt; Rumänien sei ein gefährliches Land, ich würde ausgeraubt, umgebracht. Das konnte ich mir nun doch nicht vorstellen – ich wollte ja schließlich nur nach Rumänien und nicht auf den Mars. Trotzdem war ich erleichtert, als meine Freundin Ela sich bereit erklärte mitzufahren. Ein Flug wäre so kurzfristig zu teuer, mit dem Auto wegen der Wetterbedingungen zu gefährlich gewesen. Da ich eine Bahn Card besitze, beschlossen wir mit dem Zug zu fahren. Oh je!
Am Dienstag, den 01.02.2005, traf ich Ela am Frankfurter Bahnhof und gemeinsam fuhren wir über Wien, Budapest und Bukarest weiter.
34 Stunden lang.
Der Hinweg:
Die Reise war lang und ich war sehr froh nicht alleine zu sein. In Wien stiegen wir in den Nachtzug nach Bukarest um und erhielten eine Schlafkabine. An der ungarischen Grenze kamen die ersten Zollkontrollen und die ersten Probleme. Malika, mein Afghane, hatte letztes Jahr meinen Geldbeutel geklaut und zerkaut; dabei hat sie eine Ecke meines Personalausweises abgebissen. Mir war von Amtswegen versichert worden, der Pass sei noch gültig, man könne schließlich noch alle wichtigen Daten lesen. Das sahen die Zöllner anders! Der Österreicher erklärte mir, ich dürfe ruhig ausreisen, aber mit DEM Pass würde ich in SEIN Land nicht mehr rein dürfen. War für mich o.k. – ich wollte erst mal nach Rumänien. Der Ungar fand die Geschichte mit Malika eher lustig.
Nun ja, da waren wir erst mal in Ungarn.
Mitten in der Nacht hielt der Zug vor der rumänischen Grenze und es gab eine weitere Grenzkontrolle. Die Ungarn waren wieder erheitert über meinen Pass, der Rumäne bekam beinahe einen Herzinfarkt. Er regte sich auf Rumänisch auf (so was versteht jeder) und gestikulierte und schimpfte und verschwand. Wir warteten noch einige Minuten darauf, dass wir vom Zug gezerrt werden und einem Erschießungskommando vorgeführt werden, aber unser Freund kam nicht wieder und der Zug fuhr weiter.
Schlafen konnten wir in dem alten Klapperzug eh nicht.
 Rumänien erreicht!
 Der erste rumänische Hund
Unterwegs rief uns Robert Smith an. Wir sollten nicht bis Bukarest fahren, sondern in Sinai aussteigen, dort würde seine Mitarbeiterin Antonia uns abholen und zu seinem Shelter in Campina bringen. Gemeinsam würden wir dann per Zug nach Suceava fahren. Das taten wir auch und außer dass Antonia ein Stoppschild übersehen hat und wenn wir nicht beide STOPP! geschrieen hätten, es diesen Bericht und uns nicht mehr würde, verlief die weitere Reise problemlos.
Roberts Shelter in Campina ist sehr schön, gut organisiert und ausgestattet. Die meisten Hunde sind frei und halten sich tagsüber beim Shelter auf, um dann nachts ihren Streunertätigkeiten nachzugehen.
 Shelter Campina
 Shelter Campina
 Die „Dicken“ von Campina
Auf dem Weg zum Shelter konnten wir schon die bittere Armut der Rumänen, insbesondere der Zigeuner, sehen. Sie haben einfach nichts. Überall liefen Hunde auf den Straßen herum. Aber, versicherte uns Antonia, sie seien alle von Robert’s Foundation kastriert worden.
Das Shelter in Campina will Robert wieder schließen, da der Bürgermeister trotz Vertrag mit FPCC wieder Hunde einfangen und töten lässt. Ich fing an zu ahnen, was Tierschutz in Rumänien bedeutet.
Auf der Zugfahrt nach Suceava bekamen wir einen Schnellkurs in Tierschutz Rumänien von Robert. Er erklärte uns die Besonderheiten und die Schwierigkeiten, das Streunerproblem in Rumänien (und in allen anderen Länder mit Streunern) zu lösen.
Um 20:00 am Mittwoch waren wir dann endlich in Suceava. Liliana und ihr Sohn Honey holten uns am Bahnhof ab. Robert und Antonia fuhren zum Hotel und Ela und ich zu Liliana nach Hause. Am späten Abend trafen wir uns zum Essen mit den Mitgliedern der örtlichen Tierschutzorganisation Pro-Anima, die aktiv bei Bruno Pet mithalfen.
Es wurde viel geredet, wurde sehr spät und wir fielen nachts um 2:00 regelrecht ins Koma.
Am nächsten Morgen ging es weiter mit einer Rundfahrt zu den örtlichen Tierheimen. Honey war unser charmanter Chauffeur und fuhr uns sicher durch die glatten, verschneiten Straßen Suceavas.
Als erstes holten wir Sabina ab. Sabina, eine junge Frau und Mitglied bei Pro-Anima, entdeckte die Hunde am 24.12.2004 nach der Teeraktion und rief sofort um Hilfe.
Sie hat ein Zoogeschäft in Suceava und brachte 4 Säcke Hundefutter mit. Wir fuhren zuerst zum Tierheim der örtlichen Tierschutzorganisation Pro-Anima in Simca. Dort waren die Hunde am Verhungern, deswegen brachten wir das Hundefutter mit.
 Sabina & Ela gefolgt von frei lebenden Hunden, Simca | Als wir ankamen, begann Sabina mit dem „Tierpfleger“ des Tierheims die Hunde zu füttern. Honey erklärte uns, dass man das Futter nicht einfach diesem Mann geben könnte, da er Alkoholiker sei und das Futter verkaufen würde, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Er würde € 50,00 im Monat verdienen und dürfte dort leben.  Ich schaute das erbärmliche Gebäude an und dachte, kein Wunder dass er Alkoholiker ist und kein Wunder dass er das Futter verkauft.
|  Pro-Anima Tierheim, Simca |  | Erstaunt war ich, dass der Tierpfleger Deutsch sprach – so konnte ich mich mit ihm direkt verständigen. Er klagte mir sein Leid und obwohl ich ihn gerne verachtet hätte, weil er den Hunden das Futter wegnahm, empfand ich doch eher Mitleid für ihn. Es würde sich keiner um die Hunde kümmern, sagte er, und teilweise resultierte das in Kannibalismus.  Er zeigte auf einen Schäferhund und erzählte, wie er Hunde, die ihre Köpfe durch die Gitter steckten, töten und auffressen würde. Ich ging in das Gehege rein – der Schäferhund war freundlich und zumindest mit seinem gleich großen Zwingergenossen sozial. Wie muß der nur hungern, dass er so etwas tut, dachte ich.
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Das Tierheim in Simca ist einfach eine Katastrophe; es gibt nicht eine vernünftige Hundehütte, alles ist verdreckt und verkommen, die Hunde hatten zum Teil seit 5 Tagen kein Futter bekommen. Die Hunde, die frei herumliefen, sahen dagegen richtig gut aus. Ich konnte nicht verstehen, warum sie die Hunde nicht einfach frei ließen – so hätten sie wenigstens die Möglichkeit sich selber Futter zu suchen.  Hundehütten in Simca
 Liegeflächen im Hundezimmer, Simca
  Liegeflächen im Hundezimmer, Simca
 Hund im Simca Tierheim
  | Zum Schluss zeigten mir Honey und Sabina eine Müllhalde neben dem Tierheim, wo die toten Hunde entsorgt wurden. Ich grub einige Hunde aus dem Schnee um sie zu photographieren, ein Welpe lag tot oben drauf.
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