Baristo, oder: Aufgeben ist keine Option!

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In den letzten Monaten haben wir ein zwei Mal darüber berichtet, wie frustrierend die Vermittlungsarbeit manchmal sein kann. Man schaut den Menschen immer nur vor den Kopf. Gebetsmühlenartig erklärt man vor der Vermittlung, dass da ein Überraschungsei kommt. Dass wir den Hund nur aus der Zwingersituation heraus einschätzen können. Dass man dem Tier doch bitte Zeit geben soll aber ihm dennoch von Anfang an seine Regeln erklären muss. Und so weiter und so fort. Und dann kommt Hund doch zu uns zurück, weil er nicht stubenrein ist, weil er die Katze anknurrt, weil er keine Zeit bekommt sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. Frustrierend. Aber manchmal kommt auch so etwas:

Unser Zweithund aus Rovinari – Aufgeben ist keine Option

Vor 4,5 Jahren haben wir unsere erste Hündin mit knapp 6 Monaten aus dem rumänischen Tierschutz adoptiert und durften mit unserem ersten Hund überhaupt lernen, was es heißt einen Hund zu adoptieren. Sie hat uns viele Aufgaben gestellt, die uns haben wachsen und reichlich Erfahrungen sammeln lassen. Eine junge Angsthündin mit Herdenschutzanteilen. Da heißt es Geduld, Vertrauen und Zeit investieren und sich selbst reflektieren, denn meist hält das „Problem“ ja die Leine in der Hand. Da diese Adoption zur Erfolgsgeschichte wurde, entstand zeitnah der Wunsch nach einem Zweithund.

In der Zwischenzeit war unsere Familie gewachsen. Wir haben zwei Kinder (2 und 4 Jahre) bekommen, eine Katze und drei Meerschweinchen adoptiert. Mit diesen neuen Voraussetzungen gestaltete sich die Adoption von einem Tierschutzhund eher schwierig. Kleine Kinder sind oft ein KO-Kriterium, egal wie groß der Garten ist, dass man nur im Homeoffice arbeitet und bereits Hundeerfahrungen gesammelt hat. Trotz reichlich merkwürdiger Diskussionen blieben wir bei unserem Wunsch. Ein zweiter Hund soll einziehen und das bitte aus dem rumänischen Tierschutz. Die Kriterien für unseren Wunschhund waren ziemlich einfach… groß, männlich, gerne älter und schlechte Chancen auf Vermittlung. Unter den Rovinari-Hunden wurden wir fündig! Mein Mann und ich waren uns sehr schnell einig und ein wunderbarer Beitrag zum Thema 3K (Kinder, Katzen, Kleintiere) einer Pflegestelle auf der Website bestärkte uns, bei Brunopet e.V. eine Chance für eine Adoption zu bekommen.

Nach einigen Telefonaten und der Vorkontrolle war es klar! Baristo, männlich, groß, schwarz, struppig, ruhig, etwas älter und unauffällig, wird bei uns einziehen. Nach drei Wochen auf einer wunderbaren deutschen Pflegestelle (zeitnahe Ausreisemöglichkeit hat für uns nicht direkt zur Übernahme gepasst) holte mein Mann ihn dort ab. Und da war er also… unser Zweithund und wir waren uns schnell einig, wie toll er ist! Ein wahrer Teddy mit einer unglaublichen Ruhe, Ausgeglichenheit und Souveränität. Trotz der Gespräche mit der Tierschützerin, die ihn in Rovinari erfasst und kurz Kontakt zu ihm hatte, bekommt man natürlich ein Überraschungspaket. Man weiß nicht viel über das neue Familienmitglied, man kennt seine Vergangenheit nicht, man kennt die Informationen von einem kurzen Kennenlernen und weiß nicht, wie dieses Tier auf ein Leben in Deutschland reagiert, welche Ängste es hat, welche Baustellen sich zeigen werden. Aber man bekommt ein vollwertiges Familienmitglied und die Entscheidung ist für uns mit der Adoption gefallen. Wir haben uns mit allen Konsequenzen für den Hund entschieden. Alles annehmen was kommt, Probleme angehen und Aufgeben ist die allerletzte (eigentlich keine Option)! Alle Fragen für einen selbst müssen einfach vorher klar sein. Was kann man geben, was will man leisten, was kann alles passieren?

Unsere Wahl war ein wahrer Glücksgriff! Ein wunderbar ausgeglichener Rüde zog bei uns ein. Er war einfach da und reagierte auf das neue Leben als hätte er es nie anders gekannt. Die 3Ks waren sehr schnell mit klaren Grenzen kein Thema mehr. Die Hunde vertrugen sich bei der ersten Zusammenführung außerhalb vom Grundstück direkt, auf dem Hof wurde die Rangordnung geklärt und alles schien perfekt. Auch im Haus war es zwischen den Hunden entspannt! Am zweiten Tag waren die Hunde mit meinem Mann auf dem Grundstück und ich mit den Kindern unterwegs. Als wir zurück kamen krachte es gewaltig zwischen den Vierbeinern! Mein Mann musste sie trennen und der erste große Tierarztbesuch stand für beide an. Puhhh… Ich hätte heulen können! Was haben wir falsch gemacht? Was war der Grund? Verdammter Mist! Wie bekommen wir das nur wieder hin! Die erste neue Lektion als Mehrhundehalter lautete also, Ruhe bewahren, wer zeigt uns mit seinem Verhalten was an und wie vermitteln wir das. Mal ganz davon abgesehen, dass man den Mumm finden musste die beiden wieder zueinander zu lassen. Viele Sprachnachrichten und Texte mit den Tierschützern von brunopet e.V. gingen hin und her. Alleine waren wir definitiv nie und das hat uns sehr geholfen! Danke an dieser Stelle für direkte Worte und Eure Zeit! Ein Hundetrainer kam vorbei, um schnell vor Ort zu helfen und mit uns die Situationen zu beleuchten. Mein Mann und er probierten alles Mögliche aus. Die Hunde waren toll miteinander, die Rangordnung klar und alles lief ohne Probleme. Dann kamen die Kinder und ich dazu! Es krachte wieder und das genau so heftig wie beim ersten Mal. Also wieder ab zum Tierarzt! Aber wir kannten nun das Problem! „Meine“ Hündin war der Meinung die Kinder und mich vor dem Neuzugang beschützen zu müssen. Da meint man, man kennt den eigenen Hund und plötzlich ist das der Kandidat mit den Baustellen. Der Hundetrainer war wenig optimistisch und erklärte ein Herdenschutzhund ist halt so und ihm das abzutrainieren, wird vermutlich nicht funktionieren. An dem Tag war ich fertig mit der Welt!

Wie bekommt man das nun hin? Aufgeben ist keine Option! Unser neues Familienmitglied bleibt. Wir müssen das hinbekommen, es wird dauern und es wird anstrengend, aber es wird! Um ein bisschen Ruhe rein zubekommen wurden Maulkörbe angeschafft und zum ständigen Begleiter. Erstmal brauchten wir wieder Sicherheit, denn das „Problem“ hält ja meist die Leine. Unsere Hündin musste lernen, dass wir der Boss sind. Wir haben das Sagen und entscheiden, wer wann wo hin gehen darf und wann was frisst. Wir haben alles konsequent kontrolliert und bei Bedarf getrennt. Es war anstrengend, zeitraubend und wir hatten keine Ahnung, wie lange es dauern würde. Aufgeben ist keine Option, wir wollten das und es muss werden. Dran bleiben! Immer wieder haben wir uns mit den Tierschützerinnen ausgetauscht, nur der Hundetrainer, der war raus! Wir haben uns selbst reflektiert und jede nur mögliche Meinung eingeholt.

Während wir unsere Kinder für das Verhalten im Beisein der Hunde weiter sensibilisierten und übten, erklärte uns unser Umfeld auch ab und an als verantwortungslos unseren Kindern gegenüber. Unsere Kinder lieben unsere Haustiere alle! Sie lernen Verantwortung, Respekt und wie reich jeder einzelne Vierbeiner ihr Leben macht. Sie werden später niemals die Augen vor Tierleid verschließen und wissen, dass es sich lohnt Probleme anzugehen und Aufgeben die allerletzte Option ist, wenn man sich für einen Weg entschieden hat.

Was soll ich sagen! Mittlerweile sind wir viele kleine Schritte gegangen, haben unsere Hündin, unseren Neuzugang, unser Rudel und Situationen mit Knall-Potential besser kennen und einschätzen gelernt. Wir managen, dass ist klar und vielleicht bleibt es für die beiden auch ein wenig eine „Zwangsehe“, aber nichtsdestotrotz gehören zu unserer Familie zwei große Hunde, die ohne Maulkorb gemeinsam in einem Haus leben.

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön und Kompliment an Baristos neue Familie. Sie sind ein Vorbild. Vor allem für ihre Kinder. Es freut uns und stärkt uns auch immer wieder über solche Menschen zu stolpern!

4 thoughts on “Baristo, oder: Aufgeben ist keine Option!

  1. So schön zu lesen! Endlich mal kein „der muss SOFORT weg“ nach drei Tagen… Von ganzem Herzen DANKE an die Familie und ich wünsche allen eine wunderbare harmonische gemeinsame Zeit!
    Liebe Grüße, Petra und BP-chen Maggie (Mathea)

  2. Hervorragend!! Wenn die Hunde sich eigentlich verstehen und nur in konkreten Situationen, wenn auch sehr heftig, diskutieren, dann kann man das auch beheben.
    Nur nicht den Mut verlieren! Und Eure Kinder bekommen mit, dass man über Probleme nachdenken und Wege suchen muss. Lösungen sind nicht immer ganz einfach und offensichtlich.

  3. >>An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön und Kompliment an Baristos neue Familie. Sie sind ein Vorbild. Vor allem für ihre Kinder. Es freut uns und stärkt uns auch immer wieder über solche Menschen zu stolpert!<<

    Dem ist doch gar nichts mehr hinzuzufügen!

    Außer: Es gibt sie noch, die großartigen Tiere & Menschen, die unsere Welt zu einer besseren machen!

  4. Toll, solche Adoptanten bräuchten wir „in Hülle und Fülle“
    Einen großen Dank für den Einsatz auf Beiden Seiten !!!

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