Reisebericht Dezember 2011

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Meli am Telefon. Tibi hat geschrieben. Miercurea Ciuc fällt mal wieder unter Tollwutquarantäne. Ein immer wieder merkwürdiges Procedere in Rumänien. Wenn irgendwo bei einem Tier (meist ein Fuchs) Tollwut festgestellt wurde, wird der ganze Bezirk im Umkreis von 50km für mehrere Wochen oder Monate unter Quarantäne gestellt. Das bedeutet, dass Hunde und Katzen, egal ob geimpft oder nicht, diesen Umkreis nicht verlassen dürfen. Natürlich hält sich vor Ort in Wirklichkeit kein Mensch (und auch kein Hund und keine Katze) daran. Aber unsere Tierheimhunde, die alle einen dokumentierten Impfschutz aufweisen, brauchen für die Reise einen Stempel vom Amtsveterinär. Und diesen kann er während der offiziellen Tollwutquarantäne nicht ausstellen – so gerne er es würde. Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen sind von dieser Regelung übrigens nicht betroffen, weil sie, so heißt die offizielle Begründung, keine Füchse beißen. Aaaaha, nun gut, nach der Logik suchen wir dann später. Böse Zungen behaupten übrigens, die tollwütigen Füchse kämen aus der Tiefkühltruhe und würden immer dann hervorgezogen, wenn man EU-Gelder zur Tollwutprophylaxe in Anspruch nehmen möchte, oder aber…um einen Grund zu haben, Straßenhunde zu töten.
Nun gut, was solls, alle Spekulationen nützen nichts. Spätestens seit wir einmal mehrere Stunden mit dem Tierarzt des Kreisveterinäramtes diskutiert haben und dieser schließlich, leider erfolglos, beim Landwirtschaftsministerium in Bukarest um eine Ausnahmetransportgenehmigung für unsere Hunde flehte, damit er uns endlich von der Backe bekommt, wissen wir: gegen die beknackte Tollwutquarantäne kommen wir nicht an.
Damit ist die Dezemberfahrt also gestorben…Hm, so ganz können sich weder Anja noch ich damit abfinden. Vielleicht würde sich ja doch noch was ändern (wär ja nicht das erste mal), zumindest könnte man doch wenigstens Wege für den ein oder anderen Notfall finden…

Und dann kommt Sighisoara…

Von Sighisoara hörten wir das erste mal, als Nina Schöllhorn (Tierärztin des Tierärztepools) und Carina (Auszubildene zur Tierarzthelferin beim TÄ-Pool) im letzten Jahr zum Kastrationseinsatz nach Miercurea Ciuc kamen. Beide waren mit ihren Nerven völlig am Ende, weil sie zuvor in Sighisoara im Auftrag des BMT in einer städtischen Auffangstation kastriert hatten. Die Zustände dort waren derart schrecklich, dass Nina und Carina noch nach Tagen mit den Tränen zu kämpfen hatten, wenn sie davon berichteten. Die Hunde sind dort in viel zu kleinen Käfigen untergebracht. Einmal am Tag kommt ein Angestellter, der füttert und angeblich sauber macht…es ist dort allerdings so unglaublich dreckig, so etwas hatten wir alle noch nicht gesehen. Eine Hündin lag nur noch lethargisch auf einer Hütte, ihr Welpe versank im Dreck, sie schaffte es mental auch nicht mehr, sich um ihn zu kümmern, er war ihr gleichgültig geworden. Nina hatte sich damals geweigert, diese Hündin nach der Kastration in den „Zwinger“ zurückzubringen. Weil Nina einen regelrechten Aufstand probte, wurde die Hündin mit ihrem Welpen schließlich in einem privaten TH in Sighisoara untergebracht.
Viele Gespräche später mit allen Beteiligten steht fest, wenn die Stadt bestimmte personelle Bedingungen erfüllt, wird der BMT die notwendigen Gelder für eine Renovierung des städtischen Auffanglagers zur Verfügung stellen. Außerdem erklärt sich der Verein APDA (Asociara Pentru Drepturile Animalelos) bereit, einen Großteil der Hunde aus der Primaria in seine Obhut zu nehmen, wenn zuvor durch einen Transport die Anzahl der Hunde im privaten Tierheim, das dieser Verein betreibt, gesenkt werden könnte.
Ein leider ausgefallener Transport für MC und nun ein dringend notweniger für Sighisoara…das scheint ja fast Fügung zu sein. Der Plan steht also schnell. Besuch in Sighisoara im städtischen Auffanglager. Überprüfen, ob dort mit den geforderten Änderungen bereits begonnen wurde. Z.B. sollte es neue Hütten für die Hunde geben. Möglichkeiten für Gespräche mit den Behörden ausloten. Besuch des privaten Tierheims und schließlich der Transport einiger Hunde von dort nach Deutschland. An Bord natürlich auch wieder jede Menge Spenden. Ein Teil für Sighisoara, ein Teil für MC.
Dann die schöne Nachricht: Tollwutquarantäne in MC ist aufgehoben. Hurra, also ein Doppeltransport. Unsere Bpchen, die auf der Ausreiseliste standen, würden also doch fahren können. Puh, ganz schön viele Punkte für die Zeit ‚zwischen den Jahren‘. Wir starten trotzdem mit viel Vorfreude.

In Sighisoara angekommen, sind wir beeindruckt, dass „auf der Burg wohnen“, wie man es uns angekündigt hatte, tatsächlich ‚auf der Burg wohnen‘ bedeutet. Der alte Stadtkern liegt auf einem Hügel, man fährt durch ein altes Burgtor und befindet sich dann tatsächlich in einem alten Burggelände. Die Häuser sind zum größten Teil sehr schön hergerichtet, der Ausblick ist grandios, nette Cafés, Restaurants und Bars runden das schöne Ambiente ab.

Leider bleibt uns nicht viel Zeit zum Genießen, denn schon eine Stunde nach der Ankunft heißt es: Termin in der Primaria und Termin im privaten Tierheim.
Zuerst also in die Primaria, die Auffangstation der Stadt. Puh, da findet man schwer Worte. In Nina Schöllhorns Kastrationsbericht ist ja schon das Wesentliche dazu zu lesen. Und wir müssen vor Ort leider feststellen…getan hat sich nicht viel. Die Hunde (zum Zeitpunkt unseres Besuchs 8) sitzen noch immer in den furchtbar kleinen Zwingern und Käfigen. Es ist unglaublich dreckig. Wir sind rumänischen Tierheimdreck gewohnt und ekeln uns nicht so schnell. Aber hier bewegt man sich wirklich auf Zehenspitzen durch das Gelände. Überall Unrat, aussortierte Gegenstände, alte faulige Bretter etc. Dazwischen Fäkalien wohin man auch blickt. Hier ist seit Wochen nichts mehr gesäubert worden. Frisches Stroh liegt in den Hütten (eher Kisten). Ob man das unserer Ankunft wegen oder regulär verteilt hat, können wir nicht sagen. Ein paar neue Hütten sind angefertigt worden, doch sie stehen, wie zum Spott, ausgerechnet in den Zwingern, in denen keine Hunde untergebracht sind. Diese quetschten sich dafür nach wie vor in viel zu kleine Holzkisten. In der Regel sind die Hunde alleine im Zwinger, da mehrere Hunde in diese unglaublich kleinen Behausungen überhaupt nicht reinpassen. Während wir bedrückt den Gang entlang schreiten, begleiten uns angstvolle Augenpaare. Kaum eines der Tiere will Kontakt aufnehmen, die meisten drängen sich zitternd in eine Ecke, versuchen unseren Blicken zu entweichen.

Der „Pfleger“, falls man den Arbeiter so nennen kann, ist sichtlich genervt von unserer Anwesenheit. Er hat wegen uns extra die Station aufsuchen müssen, denn außer ihm hält sich dort niemand auf. Beschäftigt wird er scheinbar vom zuständigen Tierarzt. Auf unser Nachfragen erklärt man uns, der „Pfleger“ käme einmal am Tag für eine halbe Stunde her. Er füttert dann, mehr Einsatz ist aber nirgends zu erkennen, vielleicht nutzt er die restlichen 20 min den Fernseher, der im Aufenthaltsraum steht…? Die Hunde haben alle Angst vor ihm. Den Hunden in die Augen zu sehen ist mehr als schwer. Besonders erschüttern mich drei junge Hunde (kaum 1 Jahr alt). Sie sind an diesem Ort aufgewachsen, haben nie etwas anderes gesehen. Die drei sind wirklich sehr ängstlich, es besteht vor Ort auch gar keine Möglichkeit, sich ihnen auf für sie unbedrohliche Weise zu nähern. Die Zwinger sind so klein, dass man sofort unmittelbar vor dem Hund steht, wenn man durch die Tür tritt. Für die Tiere natürlich ein immenser Stressfaktor, da sie keinerlei Möglichkeit haben, auch nur den Hauch einer Individualdistanz einzunehmen. Sollte sich für diese Hunde in den nächsten Monaten keine Möglichkeit finden, werden sie wohl ihre Reise in den Tod antreten. Denn sie blockieren drei Zwinger und werden für den „Pfleger“ und den „Tierarzt“ zunehmend weniger handlebar. Mona kann sie nicht in das private Tierheim nehmen. Ihre Kapazitäten für ängstliche Hunde sind mehr als ausgeschöpft.

Gerne hätten wir die Möglichkeit, mit einem Verantwortlichen der Stadt zu sprechen, nachzubohren, wann die geforderten Änderungen (z.B. Wechsel des verantwortlichen Tierarztes) denn nun umgesetzt werden, welche personellen Möglichkeiten es für einen Umbau gibt usw. Der Zeitpunkt und die Kürze unseres Besuchs machen uns aber einen Strich durch die Rechnung, keine offenen Ohren für uns ‚zwischen den Jahren‘. Fürs Erste bleibt uns also nichts anderes, als mit versteinerten Mienen und einem Kloß im Hals diesen grauenhaften Ort wieder zu verlassen. Aber im April werden wir wieder auf der Matte stehen…

Zum Glück bleibt uns nicht lange Zeit, unseren traurigen Gedanken nachzuhängen. Weiter geht es in das private Tierheim des Vereins APDA von Mona Fernegel. Also wieder rein ins Auto, das sich Ellie (Mitstreiterin von Mona) von ihrer Mutter extra ausgeliehen hat, um uns von a nach b zu fahren. Der Weg soll jedoch nicht direkt ins Tierheim führen. Eines der gefühlten 1000 Gespräche, die Monas Handy beinahe sekündlich ausspuckt, hat mit Kulka zu tun. Die kleine hübsche Hündin wird von ihren Besitzern abgegeben, weil diese nach Spanien auswandern. Trächtig sei sie auch, weiß das junge Pärchen zu berichten, das auf einem Parkplatz auf Mona wartet. Na super… Sie drücken ihr Kulka und einen Impfpass in die Hand und verschwinden. Lächelnd. ‚Ein schöner Hund, nicht wahr?‘, strahlen sie zum Abschied. Mona nickt freundlich: ‚Ja, das stimmt!‘ Aha, das war es also mit dem tollen Hund, so entspannt kann man Abschied nehmen.

Anja und ich können nur noch stumm Blicke austauschen, als das wuschelige Etwas zwischen uns auf der Rücksitzbank landet. Das Tempo mit der hier die Eindrücke einander jagen, wird langsam etwas hoch. Wir fühlen uns wie in einem Schnellzug, die Dinge rasen am Fenster an uns vorbei, alles wirkt unwirklich, unklar, verwischt. Ein Film.

Langsamer soll es nicht werden. Der nächste Stopp folgt auf dem Fuße. Wir halten an einem Tierfutterlädchen. Dort hat man Vali, eine kleinere alte Hündin, abgegeben, die für ihre Besitzer überflüssig geworden ist. Felicia, die Besitzerin des Ladens, kümmert sich in ihrer Freizeit um herrenlose Katzen. Die Leute wissen, dass sie nicht ’nein‘ sagen kann und haben den Hund einfach dort gelassen. Von Felicia, der ‚Katzenmutter‘, werde ich später noch erzählen. Es ist nun eng auf der Rückbank. Endlich halten wir am Tierheim.

Kulka und Vali werden von Flavius, dem Pfleger von APDA in zwei verschiedene Zwinger gesteckt. Von diesem Moment an sind sie plötzlich umgeben von Lärm, fremden Artgenossen, Enge. Irritiert versuchen sie sich in ihrer neuen Welt zurecht zu finden. Ihre ratlosen Blicke nimmt niemand mehr so richtig wahr, viel zu schnell geht es weiter im Takt. Der Pfleger säubert die Zwinger, wir suchen die Hunde, die auf unserer Ausreiseliste stehen, verschaffen uns einen Überblick, machen schnell ein paar Bilder, Mona beantwortet unsere Fragen…Im Augenwinkel nehmen wir das Dumherum wahr. Merken uns das ein oder andere für den nächsten Tag…nochmal genauer hinschauen. In Ruhe. Sebi läuft so merkwürdig auf und ab. Der eine Schäferhund ist fast nackt. Ein sehr alter Hund in einer Hütte, der ein Hinterbein nicht benutzt… Baustellen.

Plötzlich ist es spät. Noch eine Stunde Zeit. Umziehen, duschen, date in der Pizzeria mit Mona und Elli. Die Beiden berichten uns über ihren Verein. Er zählt zwar über 20 Mitglieder (für rumänische Tierschutzverhältnisse gar nicht schlecht), doch eigentlich sind es nur die beiden, die aktiv bei den Hunden helfen. Mona fährt jedes Wochenende ins Tierheim, Elli unterstützt sie, wenn sie Zeit hat. Außerhalb der Wochenenden ist der Pfleger meist auf sich alleine gestellt. Zwar beherbergt das Tierheim „nur“ ca 80 Hunde, doch die Arbeit wächst ihnen natürlich über den Kopf, es ist alles kaum zu schaffen. Sie sind sehr glücklich, dass der BMT ihnen regelmäßig Hunde abnimmt. Mit dem Tierarzt sind sie ganz zufrieden. Wir sind uns aber nicht sicher, wie man seine Arbeit aus deutscher Sicht beurteilen würde, wir haben ihn kaum erlebt. Zumindest wissen wir von Nina, dass nicht alle Hunde mit dem richtigen Nahtmaterial versorgt waren. Wir werden u.a. dieses Thema im April noch einmal ansprechen. Auch Mona und Elli wollen viel von uns wissen. Wir berichten uns gegenseitig so viel, wir schaffen. Geschichten, Entwicklungen, Erfahrungen aus vielen Jahren Arbeit, komprimiert bis sie in einen einzigen Pizzeriabesuch passen…Konzentrate, die das Gehirn erst später zu verarbeiten weiß.
Irgendwann blockiert die Festplatte im Kopf. 36 Stunden nicht mehr geruht, nicht mehr ausgestreckt, 36 Stunden non stop Erlebnis…nun ist Schicht im Schacht. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen. Dann ab ins Zimmerchen im Kolping-Haus, 3 Bier, erste Verarbeitungsprozesse, erzählen, erzählen, staunen, schweigen, Kopf schütteln, aber auch froh sein. Mal schnell in Deutschland anrufen und Meli rasch ein paar Eindrucksfetzen um die Ohren hauen.
Im Bett schließlich der Blick auf die Illumination am gegenüberliegenden Gebäude. Leise schauen. Augen schließen. Gänseschnattern im Nachbarhof. Vereinzeltes Hundegebell über der Stadt. Hufeklappern. Rumänien, dein Nachtlied ist mir längst vertraut. Schlaf.
7.00 Uhr…mein Gehirn baut wie gewohnt das Weckerklingeln sehr kreativ in meinem Traum ein. Aber dann schwinden die Gedankenwolken immer weiter, mein Bewusstsein gewinnt die Oberhand. Es IST der Wecker, der da scheppert. Zuhause in Deutschland wäre es erst 6.00 Uhr , ausgeschlafen fühlt sich anders an! Ziemlich ungelenk kraxel ich die Leiter meines Hochbetts runter, schlappe ins Bad und…oh nein, Alma hat einen Riesensee produziert. Alma? Achja, das mit Alma das war so…Rück- und Vorschau:

In Rumänien fährt man natürlich an vielen Hunden vorbei. Aber eigentlich kommt man nicht auf die Idee, anzuhalten und einen davon einzusammeln, weil man ihn nicht ungeimpft ausführen kann und die meisten rumänischen Tierheime möchte man auch keinem Hund antun. Da haben sie es auf der Straße eigentlich besser.

Als wir an Alma vorbei kamen, hörte man aus drei Mündern ein leises ‚Oh‘. Eisern fuhr ich weiter. Dann rechts neben mir: ‚Der Hund wird den Winter nicht packen‘. Von mir ein: ‚Mhm, glaub ich auch nicht‘. Ganz von rechts: ‚Der war aber extrem dünn und kaum Fell‘. Im Spiegel sah ich den Hund orientierungslos zwischen den schnell fahrenden Autos herumlaufen. ‚Der wirkt gar nicht so, als würde er sich auf der Straße auskennen.‘ ‚Niemals packt der den Winter.‘ ‚Wenn er nicht überfahren wird, wird er erfrieren oder verhungern.‘ ‚Der packt das nicht.‘ ‚Nein.‘

Im nächsten Dorf gebremst, gedreht. ‚Da hinten kommt die Kurve, wo er auf der Straße stand.‘ ‚Vielleicht ist er ja schon weg.‘ ‚Hoffentlich nicht schon überfahren.‘

Alma war nicht weg, sie lief immer noch zwischen dem Straßengraben auf der einen und dem auf der anderen Straßenseite hin und her. Wir parkten. Sie kam geflitzt, doch als wir sie ansprachen, sprang sie schreiend rückwärts. Ich stieg wieder ein. Mit zitternden Knien. Was hatte ich eine Panik, dass wir Schuld sein könnten, wenn sie vor Schreck vor ein Auto lief. Ich verkroch mich mit den Worten: ‚Macht ihr das, mir gehen die Nerven durch!‘ ,in die Fahrerkabine.

Endlose Minuten später …Anja und Jaqueline im Spiegel…mit Alma auf dem Arm. Die Haut am Hals blankgescheuert, kein Fell mehr – ehemaliger Kettenhund. Die Zähne, die graue Schnauze – lange Jahre an der Kette. Das hängende Gesäuge – jedes Jahr Welpen. Räude. Ein unglaublich verwirrter aber liebevoller Blick. Neu in der Welt, die so viel größer ist als der alte Radius. Hatte sie sich befreit? Oder hatte man sich des Kettenhundes entledigt, weil sie nicht mehr jung und ihre Haut krank war?
Sie begleitete uns die drei Tage in Sighisoara. So lieb und dankbar und schließlich so vertraut.
In MC nahm Andras sie entgegen. Sie war angekündigt. Impfen, behandeln, kastrieren – fertig machen für einen Transport…irgendwann…hoffentlich ganz bald…hoffentlich.
Etwas später, kurz bevor wir die Hunde einladen und fahren mussten, mein Rundgang durch das Tierheim…Suche nach Alma in Zone 1, wo die neuen Hunde sind…der kleinste Zwinger, der dunkelste, ohne Hundegesellschaft…Alma hinter dem Zaun, die auf und ab sprang und vor Freude laut quietschte, als sie mich sah. Meine Begrüßung – der größte denkbare Verrat an ihr – ein Abschied… Ich habe ihr den Rücken gekehrt und bin nach Deutschland gefahren.
Ich habe gelernt, mir Distanzen einzubilden, Schutzräume für die Seele zu erfinden, die in Wahrheit nicht existieren. Eingerissen innerhalb einer Sekunde.

Doch wieder zurück ins Badezimmer. Almas Pipi aufgewischt, Alma versorgt und dann kaltes Wasser ins Gesicht. Nach dem Frühstück erwartet uns Elli. Wir wollen uns heute den ganzen Vormittag im APDA Tierheim aufhalten und auch die Liste der Hunde, die wir mitnehmen werden, mit Mona, die später ins Tierheim kommen möchte, genau besprechen. Elli hat kein Auto. Also alle in den Sprinter. Der hat vorne aber nur Platz für drei Personen. Einer von uns wird an diesem und dem folgenden Tag also immer hinten im Laderaum auf den Boxen sitzen. Ein ganz neues Reisegefühl ;-). In Rumänien kommt es einem aber gar nicht ungewöhnlich vor.
Im Tierheim begrüßt uns der Außentrupp. Puju – ein Kerl, wie man sich einen klassischen Straßenhund vorstellt. Im ersten Moment erstmal misstrauisch. Wer bist du, Mensch? Ist Böses von dir zu erwarten oder kann ich dir vertrauen? Dann freut er sich wie Bolle, wenn man ihn krault und ihm ein Kaustängelchen zusteckt. Die vielen kleinen Narben in seinem Gesicht erzählen von den Tagen, an denen man nicht friedlich mit anderen teilen kann. Seine kräftige drahtige Figur zeigt, dass er es ganz gut drauf hat, das Leben auf eigene Faust. Sein Begleiter, ein wunderschöner großer weißer Rüde, der unter einem Stickersarkom leidet. Ein ansteckender Tumor am Penis. Dort, wo sich Hunde unkontrolliert vermehren können, ein weit verbreitetes Problem, da die Tumorzellen durch den Geschlechtsakt auf die Schleimhaut des anderen Hundes übertragen werden können.
Während Elli und Flavio die mitgebrachten Futterspenden verstauen, schauen wir uns alles etwas genauer an. Das Tierheim befindet sich in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Genossenschaftsgebäude. Der Zustand des Mauerwerks und insbesondere der Dächer ist mehr schlecht als recht. Aber immerhin gibt es einige Zwinger, die einen Innen- und einen Außenbereich haben, zwischen denen die Hunde wechseln können. Die anderen Hunde, erzählt Elli uns, werden in Schichten im Hofbereich laufen gelassen, damit sie genügend Bewegung bekommen. Nachts darf ebenfalls im Wechsel eine Gruppe laufen.
Ich bleibe zunächst bei Sebi stehen. Sebi stand auf der Liste der ausreisefähigen Hunde, die wir vor unserer Fahrt geschickt bekommen hatten. Doch schon gestern kam mir irgendetwas an ihm komisch vor. Nun weiß ich, was es ist. Sein Bewegungsmuster. Es ist das eines blinden oder fast blinden Hundes. Auch seine Augen sehen auffällig aus. Ich bin überzeugt, dass Sebi nicht sieht. Wir fragen nach und erfahren, dass Sebi eine kleine Augen-OP wegen eines Nickhautvorfalls hatte. Aber dass mit seinen Augen noch mehr nicht stimmt, war niemandem bisher aufgefallen. Der hübsche Rüde ist sehr dünn. Kein Wunder, denn er läuft den ganzen Tag in seinem Zwinger auf und ab. Er bewohnt einen Innenzwinger. Im Innenbereich herrscht eine unangenehm feuchte Luft. Das Dach scheint zwar nicht großartig undicht zu sein, aber es tropft permanent Kondenswasser herunter. Die Böden sind immer feucht. Sebis Füße schauen richtig aufgequollen aus. Die Zehenzwischenräume sind rot und wund. Sicher eine Folge des Lebens auf diesem Boden. Kann er nicht. Wir müssen ihn schweren Herzens von der Ausreiseliste streichen. Das Problem mit den Augen war vorher nicht bekannt, die Stelle, die ihn aufnehmen wollte, springt ab. Wie traurig. So können wir ihn nicht einfach mitnehmen. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir sicher eine Möglichkeit für ihn gefunden. Ich schaue Sebi noch lange zu und versuche ihn mit Streicheleinheiten von seiner Lauferei abzuhalten. Er beruhigt sich wenn man sich mit ihm beschäftigt. Ich habe selbst viele Jahre einen blinden Hund gehabt und weiß, was Sebi braucht, um zur Ruhe zu kommen. Ein rumänisches Tierheim ist das Gegenteil davon. Wie so oft. Wenn man sich immer sicher sein könnte, Versprechen halten zu können, hätte ich ihm einen Platz im nächsten Transport versprochen. Ich hoffe, wir schaffen es trotzdem. Er ist etwas ganz Besonderes.
Als ich nach draußen gehe, sehe ich Anja mit traurigem Gesicht vor dem fast nackten Schäferhundrüden stehen, der uns schon am Vortag aufgefallen war. Anja erzählt mir, was sie von Elli weiß. Räude soll es nicht sein, sondern eine Allergie. Allerdings weiß keiner, worauf. Er bekommt phasenweise Kortison. Dann wächst das Fell, aber er verträgt das Kortison nicht langfristig, übergibt sich immer und magert ab. Daher wird das Kortison abgesetzt, wenn das Verdauungsproblem zu schlimm wird. Dann wiederum fängt er wieder an, sich zu kratzen und verliert sein Fell. Daraufhin bekommt er nach einer Weile wieder Kortison. So geht es immer hin und her, schon viele Monate. Der wirklich sehr liebe Kerl ist ein Bild des Jammers. Haut und Knochen. Auch sein Gangbild ist auffällig, das liegt allerdings an einer Ataxie, Überbleibsel einer überstandenen Staupeinfektion mit nervöser Verlaufsform. Er setzt sein Vorderbein nicht richtig auf und zieht es auch im Stehen unnatürlich an. Das ist aber sein geringstes Problem. Es bereitet ihm keine Schmerzen und auch sonst keine Schwierigkeiten. Der Rest aber ist ein untragbarer, quälender Zustand und die Therapie offensichtlich keine vernünftige Lösung. Ich sehe, wie in Anja die Wut und die Traurigkeit aufsteigt. Es wird sich hier für den Hund nichts ändern. Die diagnostischen Möglichkeiten fehlen, der Pfleger ist während der Woche der einzige, der für die Versorgung der Hunde vor Ort ist, die Kompetenzen des Tierarzts sind in diesem Fall ausgereizt…es gibt eine Vielzahl von Gründen, die eigentlich keine sind. Und doch sind sie Realität. Wieder der Wunsch, das liebe Männlein einzupacken und in Deutschland diagnostizieren und behandeln zu lassen. Aber wie sollen wir einen Platz für einen älteren, kranken Schäferhundrüden finden? Das würde an ein Wunder grenzen. Anja hält die Kamera drauf und knipst und knipst und ich weiß wieso…das Kameraobjektiv als Puffer zwischen innen und außen, manchmal schenkt es die notwendige Distanz, um Situationen aushaltbar zu machen.
Der nächste Tiefschlag lässt nicht lange auf sich warten. Der alte Hund, der gestern nur in der Hütte saß. Als es Futter gibt, kommt er kurz raus und wir können erkennen, dass sein Hinterbein seltsam abgewinkelt vom Körper absteht. Kurz darauf verschwindet er wieder, weil er von einem Zwingerkollegen massiv eins aufs Dach bekommt. Flavio stellt ihm das Futter in die Hütte. Der alte Hund, dessen Name niemand weiß, ist schon lange im Tierheim. Das Bein war schon so, als er kam. Das Fell ist unendlich dick verfilzt, in der Wolle an seinem Po sind Exkremente richtiggehend ins Fell eingearbeitet und er ist völlig verfettet. Bewegen kann er sich kaum. Sein Gesicht erzählt von schlimmen Schmerzen. Hinten darf man ihn nicht anfassen, deswegen kann ihm auch keiner das Fell ausbürsten. Eigentlich müsste man ihn einschläfern, da das Leben unter diesen Bedingungen für ihn eine Qual ist. Aber Mona bringt diese Entscheidung nicht übers Herz. Er frisst noch mit gutem Appetit. Mir fällt Anke ein, eine langjährige Freundin, Vorsitzende der Hundenothilfe Frankreich hatte uns einen Gnadenbrotplatz für einen alten Notfall angeboten. Ich mache ein Foto mit meinem Handy und bekomme prompt Antwort. Hier das Zitat, das zwar nicht gerade salonfein, für mich aber die schönste Nachricht des Tages ist: ‚Bring ihn mit, was eine arme Sau!‘ Anke, ich liebe dich! Ich setz mich zu dem alten Mann und beginne langsam seinen Kopf zu streicheln. Erst zieht er die Lefzen hoch, aber schon bald genießt er die Zuwendung. Hat er Ausreisepapiere? Ja. Gültige Impfung? Ja. Kastriert? Ja. Überzeugen kann ich mich von seinem Kastrationsstatus nicht, selbst wenn noch Hoden da wären, in seinem Filz würde ich sie gar nicht finden.
Vorschau:
Inzwischen hat Anke ihren „Charly“, wie er nun heißt, von Filz und Dreck befreit. Das Röntgenbild jagt einem einen Schauer über den Rücken, das Bein ist gar nicht so schlimm und kann so bleiben, aber der ganze Hund besteht aus Spondylosen. Er hat evtl. einen Milztumor und auch Schatten auf der Lunge. Außerdem waren seine Zähne so vereitert, dass die Entzündungsherde fast schon bis in die Nasennebenhöhlen durchgebrochen waren. Charly wäre im Tierheim in den nächsten Wochen oder Monaten elendig zugrunde gegangen. Nun hat er ein warmes Hundebett, bekommt Diätfutter, viel Liebe und Zuwendung. Er ist gut auf Schmerzmittel eingestellt. So kann er die Zeit, die er noch hat, schmerzfrei und behütet verbringen. Lange wird das nicht mehr sein, aber hoffentlich lange genug, um ihm das Leben noch ein bisschen zu versüßen.
Charlys Behandlung hat eine sehr hohe Rechnung verursacht, über 500 Euro. Damit möchten wir Ankes Verein nicht alleine lassen, denn wir sind unendlich dankbar, dass Charly bei ihr sein darf. Wir suchen daher dringend Spender, die uns helfen, diese Rechnung zu begleichen.

Mit einem Lächeln im Gesicht, weil es wenigstens für diesen einen Notfall eine Lösung gibt, drehen wir unsere Runden weiter. Arbeiten uns von Zwinger zu Zwinger und begrüßen feuchte Schnauzen, lachende Hundeaugen, warme Pelze. Natürlich könnte man sie alle einpacken, die liebenswerten Rumsgesichter (copyright maico 😉 ). Der Blick auf die Uhr zeigt Mittagszeit. Ui, jetzt aber sputen, denn es ist geplant, dass wir am Nachmittag Sighisoara ein wenig kennenlernen möchten. Mal ein Café besuchen, durch die Gassen schlendern… – für so ein ‚Touristending‘ war bisher nie Zeit, heute wollen wir das endlich mal schaffen. Da wir nur noch einen Punkt auf unserer ToDoListe stehen haben, sind wir guter Dinge. Die Ausreisehunde kontrollieren und die Daten mit den Pässen vergleichen.
Und schwubs, schüttelt er uns grinsend die Hand: der Zeitfresser! Von ‚Chip im Hund nicht auffindbar‘ über ‚Chiplesegerät im TH hat Aussetzer‘ über ‚Chip nach 20min endlich iiiiirgendwo im Hund gefunden‘ über ‚Chip im Pass nicht übereinstimmend mit Chip im Hund‘ bis hin zu ‚Hund im Tierheim nicht auffindbar‘ – es ist einfach von allem etwas dabei. Diverses steht nun an. Manche Hunde müssen wir tauschen, weil ohne vernünftige Papiere natürlich nix geht. Telefonate, Fahrt zum Tierarzt, Beratschlagen, wiederum auslesen, vergleichen usw. Irgendwann ist dann doch alles fertig, inklusive unserer Nerven. Der Tag ist es allerdings auch. In der Dämmerung treten wir die Fahrt in die Pension an. Soviel zum Thema Café und Sightseeing.

Es bleiben uns zwei Stunden, um im Badezimmer Reinigung und optische Schadensbegrenzung zu betreiben (schön werden wir heut nimmer), bis wir bei Mona auf der Matte stehen sollen. Sie begrüßt uns strahlend. Die wundervollen Leckereien, die sie für uns auf den Tisch gestellt hat, entschädigen uns doppelt und dreifach für das ausgefallene Kulturprogramm. Selig mampfen wir eingelegtes Gemüse, tolle Aufstriche und köstlichen Käse in uns hinein. Die liebe Elli ist auch gekommen. Wir planen, lachen, schwätzen und sind einfach nur froh, da zu sein, wo wir gerade sind. Mona und Elli wärmen uns das Herz und der spezielle Kirschlikör wärmt uns den Rest :-).

Leicht beschwingt machen wir uns nach diesem netten Abend auf den Heimweg und schaffen es dann doch noch, ein paar Bilder vom wunderschön beleuchteten Sighisoara zu machen.

Der Kirschlikör erweist sich als dankbarer Geselle. Unaufgefordert sorgt er auch am nächsten Morgen noch dafür, dass wir die gesellige Runde nicht so schnell vergessen… Entsprechend schleppend verläuft das Frühstück, doch um 7 ist keine Zeit mehr für Wehklagen, wir müssen los, die Fahrt nach Miercurea Ciuc in ‚unser‘ 🙂 Tierheim und die anschließende Rückfahrt mit den Hunden nach Deutschland steht an. Wer jetzt denkt, mit Fuß aufs Gaspedal und auf geht’s sei es getan, hat die Rechnung ohne den Tierschutzdschungelgott gemacht. Denn erstens müssen wir ja noch die Hunde im AP?DA-Tierheim einladen. Und zweitens, ihr erinnert euch, wir haben eingangs Felicia, die ‚Katzenmama‘ erwähnt. Da zwischendrin noch keine Gelegenheit war, ihren Katzen einen Besuch abzustatten, wir das aber uuuuunbedingt tun sollen, machen wir also auf dem Weg ins Tierheim einen Abstecher dort hin. Felicias Katzen leben auf einem verlassenen Firmengelände. Immer wieder werden ihr Notfälle gebracht. Auf dem Gelände stehen mehrere verfallende Gebäude. Keine Türen, keine Fensterscheiben, kein Licht, kein Strom, keine Heizmöglichkeiten. Die Räume hat Felicia mit den wenigen (eigentlich fast keinen) Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, für die Katzen eingerichtet. Mit Kartons, alten Matratzen und Sesseln im Auflösungsstadium, einigen alten Decken und Textilien. Alles sieht sehr sehr bedrückend und armselig aus. Dazwischen eine fröhliche, lebenslustige, tatkräftige Felicia mit roten Wangen, die über das ganze Gesicht lacht, weil sie sich so freut, dass wir da sind. Aus allen Ecken kommen Katzen gelaufen, als sie nach ihnen ruft. Doch nur einzelne Tiere trauen sich, näher zu kommen. Die anderen schauen Felicia nach Katzenmanier vorwurfsvoll an: ‚Du hast Eindringlinge auf das Gelände geschleppt und erwartest, dass wir dir dafür um die Beine streichen? Pah!‘ Alle Katzen sehen gut genährt aus und haben ein tolles Fell. Als wir fragen, ob sie kastriert sind, schlägt Felicia die Hände über dem Kopf zusammen und erklärt etwas auf Rumänisch. Mona übersetzt: ‚Selbstverständlich. Sie sind alle kastriert! Gott bewahre, wenn hier auch noch ständig Babys herumlaufen würden.‘ Prima, das hören wir gerne. Leider hat Felicia ein großes Problem. Die Stadt will das Gelände verkaufen und wird deshalb in naher Zukunft die Gebäude abreißen lassen. Felicia hat keine Ahnung, wo die Katzen dann hin sollen. Wir hoffen sehr, dass sie ein geeignetes Gelände finden wird und würden ihr gerne dabei helfen, dieses etwas schöner einzurichten als dies im Moment der Fall ist. Hütten, Körbchen, Decken…das müsste doch machbar sein. Felicia geht es aber vor allem um einen bestimmten Kater, den sie uns zeigen wollte. Er hatte einen schweren Autounfall und war danach gelähmt. Sie pflegte ihn und ließ ihn behandeln. Keine Ahnung, was genau gemacht wurde, eine OP war dort jedenfalls nicht möglich. Nach einiger Zeit schaffte er es wieder, seine Hinterbeine zu benutzen und inzwischen läuft er wieder richtig stabil. Man sieht es seinem Gangbild an, dass die Verletzung schwer war, aber er flitzt ganz gut. Dennoch macht sich Felicia Sorgen, wie er das harte Leben auf dem Gelände und in den Straßen auf Dauer meistern soll. Vor allem die eisigen Winterzeiten werden ihm zusetzen. Was soll ich sagen, Felicia wünscht sich sehnlichst einen Platz für ihn in Deutschland. Im Haus, in der Wärme, mit Zuneigung und Liebe. Er ist ein ganz süßer Schatz, ich denke, auch erst zwei bis drei Jahre alt. Er ist das Zusammenleben mit anderen Katzen gewohnt und bei Menschen, die er kennt, ist er eine richtige Schmusebacke.

Jetzt aber wirklich schnell zum Tierheim und Hunde einladen. Das geht zum Glück ziemlich schnell über die Bühne. Wir verabschieden uns von all den Lieben vor Ort und starten, juhuuu, nach Miercurea Ciuc. Die Fahrt zieht sich. Gefühlte vierhundertdreiundachtzigtausend Dörfer mit Geschwindigkeitsbegrenzung von 40!kmh, an die man sich mal mehr mal weniger hält… Mittags gegen 13 Uhr endlich, endlich Miercurea Ciuc. Durch die Stadt durch, über die Ampel an der Schule, rechts abbiegen Richtung Comanesti. Einige Firmengelände, recher Hand die Mülldeponie und dahinter, jaaa, da steht es, das kleine Häuschen der Fundatia. Erstaunlich, wie diese Kulisse, die es niemals in ein Reisemagazin schaffen würde, das Herz der Reisenden höher schlagen lässt :-). Wir werden erwartet von Eva, Andras, Loredana und ihrer Mutter, Joshka…usw. Umarmen, lachen, erzählen, Spenden ausladen, eine ganz ganz schnelle Runde durch das Tierheim. Wie traurig, nur für wenige Stunden hier sein zu können. Venos im Freilauf begrüßt Anja überschwänglich, er weiß genau, dass sie ihn liebt. Wir schwirren aus und stapfen durch die Zwinger. So viele vierbeinige Freunde. Viel zu wenig Zeit. Andras kommt hinter uns her. Ob wir den Ernährungszustand gesehen hätten. Es gäbe nur noch ein paar wenige, die dünn seien und diese hätten sie in FutterPlus-Zwinger gesetzt. Was er sagt, stimmt. Bei einem vorangegangenen Besuch hatten wir sehr viele Hunde stark abgemagert vorgefunden und fanden dafür nicht nur höfliche Worte. Diesmal gibt es diesbezüglich nix zu meckern. Hoffen wir, dass das so bleibt. Denn wir wissen, dass diese Entwicklung zu großen Teilen Loredana zu verdanken ist, die ein wachsames Auge darauf hat und mit Andras bespricht, welcher Hunde umgesetzt werden muss, weil seine Zwingerkollegen ihn nicht an das Futter lassen. Loredana aber wird nach Oradea umziehen… Es ist ein langhegter Wunsch von ihr, der nun in Erfüllung geht. Wir freuen uns für sie, aber unser Herz wird schwer bei dem Gedanken und wir hoffen, dass wir die Lücke, die dies in die Tierheimstruktur reißen wird, wenigstens ansatzweise irgendwie stopfen können. Wie…? Da haben wir noch keine Idee. Das wird schwer. Denn Loredanas immenser Einsatz und ihr hervorragender Blick für die Bedürfnisse der Hunde, ist eigentlich nicht zu ersetzen.

Wir bewundern noch die neu entstandenen Zwinger, die dem Tierheim eine bessere Struktur geben und dafür sorgen, dass sich die Aufregung einzelner Hunde nicht mehr wie eine Welle über das ganze Tierheim ausbreitet. Man wird es nie vermeiden können, dass in einem Tierheim dieser Größenordnung schlimme Beißereien, manchmal mit Todesfolge, vorkommen. Aber sie lassen sich durch das Verändern von Strukturen immerhin eindämmen. Kaum haben wir unsere Runde zu Ende gedreht, befinden wir uns auch schon beim Einladen der Hunde und anschließend erneut in den Umarmungen und den guten Wünschen der Menschen wieder, die uns so sehr ans Herz gewachsen sind.

Das war jetzt viel zu abrupt. Wir hocken im Auto und haben der ersten paar Meter der über 2000km angeknabbert. Unser Herz, unser Kopf, unsere Gedanken und auch unsere Gespräche bleiben aber noch lange lange in MC. Bis der erste Beifahrer müde wird und einschläft. Dann beginnt es sich nach Rückfahrt anzufühlen. Diesmal mit lauter Hundesenioren an Bord. Darüber freuen wir uns ganz besonders. Und auf den April, auf den freuen wir uns auch. Wenn die Reifen wieder in die andere Richtung über Rumäniens Straßen rollen :-).

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Constanze Haag