Die Emotionalität einer Reise

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Eine in Tierschutzkreisen sehr bekannte Dame sagte einst: „Wenn
die Gefühle und das Mitleid für die Tiere abhanden kommen,
hat man im Tierschutz nichts mehr zu suchen.“ Sicherlich beinhaltet
dieses Zitat einen wahren Kern, denn wer ohne Gefühle und ohne
Mitleid lebt…, der ist generell ein armer Mensch. Aber es gibt
im Tierschutz eine farbenfrohe Palette von der Auslebung und der
Umsetzung eben dieser Gefühle und dem Mitleid.
Gerne führe ich hier das Beispiel von den querschnittsgelähmten
Hunden an: auf Kreta lebt in einer Station ein Hund ohne Kontrolle
über seine Hinterbeine. Er besitzt eine Art Rollstuhl, mit
dem er sich prima zu Recht findet und seine Lebensqualität
ist hoch. Man kümmert sich um ihn. Nie würde ich auf die
Idee kommen, dieses Tier, bloß weil es gelähmt ist, einzuschläfern.

Wechseln wir die Örtlichkeit und besuchen ein Tierheim in Italien
auf einer Müllkippe. 300 Hunde, kein Strom, kein Wasser, nicht
genügend Futter. Von allem anderen ganz zu schweigen. Wir finden
ebenfalls einen querschnittsgelähmten Hund der seine Hinterbeine
rutschend durch den Schotter zieht. Die Beine sind offen, eitern
und die Fliegenmaden feiern eine Party in dem faulen Fleisch. Ohne
wenn und aber gehört dieser Hund eingeschläfert.
Warum beginne ich den rumänischen Bericht mit diesen Beispielen?
Sie sehen, liebe Tierfreunde, es ist ein und derselbe medizinische
Fall, aber die Auslegung, die Auswirkung und auch die Entscheidung
sind völlig unterschiedlich. Gefühle und Mitleid dürfen
einer soliden Entscheidung niemals im Wege stehen! Wirklich???

Und nun möchte ich in Rumänien herausfinden, inwieweit
die oben zitierte Behauptung Wahrheiten enthält. Behindern
Emotionen eine solide Tierschutzarbeit, ein komplettes Tierschutzkonzept
oder sogar ein ganzes Tierheim?

Der Tierärztepool ist vom Verein Bruno Pet e.V. um Hilfe gebeten
worden. Es ist eine Form der Hilfe, die nicht jeder zu leisten in
der Lage ist, denn es sollen in einem Tierheim, welches tief in
den Karpaten gelegen ist, 230 Hunde kastriert werden. Die Bedingungen
sind typisch für ein ausländisches Tierheim und es sind
Improvisationsgeist und eine Menge Erfahrung gefragt. Ines Leeuw,
Carina Bercht und ich stellen uns dieser Aufgabe. Selbstverständlich
beinhaltet unser Besuch auch die medizinische Kontrolle inklusive
innovativer Vorschläge zur Verbesserung des Managements.


Carina Bercht & Thomas Busch


Ines Leeuw

Spät in der Nacht erreichen wir unsere Pension. Der Leihdacia
hat uns sicher, wenn auch rutschig, durch die Karpaten geführt.
Im dichten Schneetreiben ist uns ein kurzer Blick in dieser tiefschwarzen
Nacht hinüber zum Tierheim verwehrt geblieben. Weder die beschriebene
Müllkippe, noch das dahinter liegende Tierheim konnten wir
erspähen. Es liegt wenige Kilometer vor der Pension, aber zu
sehen ist in dieser Nacht nichts. Müllkippe – Tierheim…
da war doch was. Ach ja, erkennen wir an dieser geographischen Anordnung
doch gleich den Wert von Straßenhunden in dieser Gemeinde.

 

Am nächsten Morgen ist von dem nächtlichen Schneetreiben
nichts mehr zu sehen. Als wir vor dem Tor des Tierheimes stehen
öffnet ein Arbeiter, der nur zu erahnen scheint, wer wir sind.
„Chef kommt“ deutet er an und bittet uns mit konfusen
Armbewegungen um ein bisschen Geduld. Sein Äußeres lässt
Rückschlüsse auf die hier herrschende Sauberkeit zu. Ich
bitte um Einlass und betrete ein Tierheim, welches vielen Tierfreunden
die Füße unter den Beinen wegziehen würde.


Dieser Arbeiter öffnete uns das Tor…

Mir nicht, denn Emotionen gebe ich am Eingang ab.
Der Geruch der Kot- und Urin durchtränkten Erde zeigt mir den
Weg. Mit der typischen Eididei- und Och-bist-du-süß-
Philosophie werden wir hier nicht weit kommen. Mein Blick huscht
über die Zwinger, die Hunde, die provisorisch zusammengenagelten
Türen, die „Küche“.


Der Küchenvorplatz

 

In einigen Boxen sitzen Muttertiere mit ihren Welpen. „Na,
Eure Chancen, hier zu überleben, dürften relativ gering
sein“, denke ich. Zu weiteren Spekulationen über die Überlebensrate
von Jungtieren bleibt keine Zeit, denn der „Chef“ ist
erschienen. Er ist gar nicht der Chef, wie sich später herausstellt,
aber ein engagierter Mitarbeiter namens Andras, dessen Hauptaufgabe
in den nächsten Tagen die nervenaufreibende Lebenserhaltung
unseres Generators sein wird. Strom und Wasser gibt es nämlich
nicht.


Andras Biro – der Mensch, der am Generator verzweifelte

Er führt uns zu einem Haus, welches noch nicht ganz fertig
gestellt ist und welches ein bisschen entfernt vom Tierheim auf
einer Wiese steht.

Es ist bitterkalt und wir beäugen skeptisch den Heizgasofen
in der hintersten Ecke. Das Equipment, welches vor wenigen Tagen
mit dem Förderverein-Arche-Noah-Kreta-e.V.-Vereinssprinter
hierher gebracht wurde – um auf dem Rückweg Hunde von
hier nach Deutschland zu holen – steht überall auf dem
Boden verteilt. Vier Räume, die durch noch nicht vorhandene
Türen voneinander getrennt sein möchten, stehen uns zur
Verfügung. Leider hinterlässt das Equipment einige Lücken,
da es von Bruno Pet selber und nicht von uns bestellt wurde. Erfreulicherweise
steht aber urplötzlich der Veterinär, der das Tierheim
sporadisch betreut in der Tür und bietet uns an, all das zu
besorgen, was fehlt. Unglaublich – in Griechenland droht man
uns mit Verhaftung und hier bietet uns Dr. Barna seine Hilfe an,
immer mal wieder bemerkend, dass er auch „very fast“ operiert.
Die Temperatur hat so langsam schlappe 12 Grad erreicht und wir
„bestellen“ den ersten Hund. Es ist ein Kryptorchide,
was nichts anderes bedeutet, als dass es ein Rüde ist, dessen
Hoden nicht beide abgestiegen sind, sondern dass sich einer noch
in der Bauchhöhle befindet. Gerade als Ines um Licht bittet,
um in der Bauchhöhle den verlorenen Sohn zu finden, versagt
der Generator zum ersten Mal seinen Dienst. Seine Krankheit ist
nicht zu heilen und so versichert man uns, dass er morgen um 10:00
Uhr vom „Service“ zurück ist und dann funktioniert.
Das nützt Ines bei dieser OP reichlich wenig, aber wir sind
mit Taschenlampen auf so etwas vorbereitet. Die Gasheizung gibt
inzwischen auch spuckende Töne von sich. Da es draußen
empfindlich kalt ist und die zaghafte Frühlingssonne nicht
wirklich die Erde erwärmt, entscheiden wir uns, zu Beginn der
einbrechenden Dunkelheit die Operationen einzustellen. 12 Tiere
sind am Abend kastriert, ein Minusrekord für unser Team.
Außerdem wurde die Stimmung gegen Mittag getrübt, als
uns eine Hündin gebracht wurde, deren Bauch von offenen Brusttumoren
übersät ist. Die Dinger streuen auch bereits in zwei Lymphknoten
und wir entscheiden uns zu dritt für die Euthanasie. Erinnerungen
an Kira werden wach, einer super lieben Hündin aus Barcelona,
die bei uns zu Hause ihrem schleichenden Knochenkrebsende entgegenblickte.
Nach drei Monaten erlösten wir sie und drei Tierärzte
heulten damals um die Wette. Das passiert heute nicht, obwohl vor
unserem OP-Fenster die Gesichter der Arbeiter länger geworden
sind.

Gefühle gegen eine solide medizinische Entscheidung versuchen
wir alle drei zu unterdrücken und fahren mit einem geschwollenen
Hals in unsere Pension. Hier schließen wir unseren Sterilisator
an, denn der Strom im OP-Haus hatte ja frühzeitig Feierabend
gemacht.
Am nächsten Morgen warten wir sehnsüchtig auf den Generator,
aber er wird erst gegen 12:00 Uhr vom Service als geheilt erlassen.
So glauben wir…
Obwohl wir alle Tiere per Hand rasieren müssen, liegen wir
gut in der Zeit.
150 Hündinnen und 80 Rüden warten bei diesem Einsatz auf
ihre Kastration. So glauben wir…
Nach ca. 20 Hunden höre ich zum ersten Mal von einem der Arbeiter
das Wort „horrop“. Es bedeutet auf Ungarisch „gefährlich
und bissig“. In dieser rumänischen Region sprechen viele
Menschen ungarisch – so auch unsere Arbeiter. Ich folge Josef,
unserem engagierten Arbeiter zu einem Zwinger, in dem ein Hund sitzt,
dessen Beschwichtigungssignale noch nie jemand wahrgenommen hat.
Er besteht ausschließlich aus Angst und der ganze Körper
zittert. Ich setzte mich in seine Nähe und versuche all das
zu machen, was ihn beruhigt. Es gelingt. Sein Blick huscht immer
zwischen mir und den Arbeitern hin und her, aber als ich Körperkontakt
zu ihm aufnehme, lässt er es zuckend zu. Das Knurren und Fletschen
hat er eingestellt. Nach 20 Minuten trage ich den Hund auf meinen
Armen aus dem Zwinger. Die Arbeiter verfolgen mich mit den Augen
wie einen Mondmenschen. Im Laufe der nächsten Woche werde ich
ca. 60 Mal das Wort horrop hören.
Bis auf mein Ohrläppchen und meinen Daumen bleibe ich unverletzt.

Ines näht alles wieder zusammen – glauben Sie nicht, dass
ich eine Narkose kriege?

Keiner der Hunde ist wirklich bissig oder aggressiv, sie haben
einfach nur höllische Angst vor den Arbeitern. Josef versuche
ich beizubringen, dass ein bisschen mehr Zeit und eine nicht bedrängende
Annäherung schneller zum Erfolg führen. Josef gefällt
mir.


So bitte nicht Josef

Carina ist inzwischen zu einer nicht mehr wegzudenkenden Hilfe
geworden. Da sie, seitdem sie 13 Jahre alt ist, jede freie Minute
im Tierschutz verbracht hat und auch die Tierärztepoolärzte
zu so manchen Einsätzen begleitete, darf sie die Rüden
zunähen. Erfahrungen mit Nadel und Faden sammelte sie bereits
mit 14 Jahren. Ihr Geschick ist unglaublich. Unter der strengen
Aufsicht von Ines kastriert sie am Abend ihren ersten Rüden.
Hut ab – sie liefert eine perfekte Operation.


Die Queen of castration mit ihrer Babyqueen

Wir schaffen an diesem Tag 30 Hunde. Ines, unsere „Nähmaschine“
ist warmgelaufen. Da wir die Tiere auch chippen und mit zwei Fotos
katalogisieren, und ständig Dinge anfallen, die den Rhythmus
stören, lässt sich Ines Kastrationsrekord bei einer Hündin
von sage und schreibe 10 Minuten und 50 Sekunden unmöglich
hochrechnen. Außerdem verlaufen nicht alle Operationen lehrbuchmäßig
und bei fast jedem Tier sind gleichzeitig auch noch andere Dinge
zu tun – oftmals auch andere Operationen Einem Hund entfernten
wir heute beispielsweise ein zerstörtes Auge, beziehungsweise
die Überbleibsel. Nabelbrüche, Leistenbrüche, Zahnsanierungen,
Gesäugetumore, Papillome etc. verzögern unsere Arbeit,
aber diese Dinge sind in unseren Augen genauso wichtig wie die Kastrationen
und werden mit behoben.
Der einzige, der nicht arbeitet ist – na raten Sie mal – der
Generator. Zumindest nicht durchgehend.
Dr. Barna erscheint im Laufe der Woche immer mal wieder und bringt
uns fehlende oder zur Neige gehende Medikamente. Je öfter er
Ines über die Schulter schaut, desto seltener hören wir
„very fast“ von ihm, bis er gegen Ende unserer Zeit völlig
verstummt ist.


Sein Auge bauten wir aus

Das Tierheim ist uns inzwischen bereits ein bisschen ans Herz gewachsen.
Alles ist, im Vergleich zu dem was Sie, liebe Tierfreunde kennen,
eine Katastrophe, aber wie vieles im Leben ist auch das relativ.
Doch bevor wir den Mund öffnen und über die schlimmen
Zustände der Hunde schimpfen, widmen wir uns der Müllkippe,
die keine 100 Meter neben uns vor sich her stinkt.

Am Rande, wenige Schritte hinter dem Tierheim gibt es zwei Häuser,
deren Baumaterial ausschließlich aus der Müllkippe zu
stammen scheint. Hier leben Zigeuner, die die Plastikflaschen aus
dem Unrat sammeln um zumindest ein bisschen Geld zu verdienen. Sie
haben nichts! Die beiden Häuser bestehen aus Brettern, Folien,
Pappe. Wie wir hören, erfrieren in den Wintermonaten, in denen
die Temperaturen leicht die 25 Grad minus erreichen können,
immer mal wieder Menschen. Zigeuner sind hier nicht beliebt und
ehrlich gesagt, große Unterschiede zu der Tierhaltung sind
wirklich nicht zu erkennen.

Einen Nachmittag steige ich hinab auf den Grund der Kippe. Es stinkt
weniger, als ich erwartet hatte. Ich bin allein und schleiche um
die großen Säcke, in denen sich die Plastikflaschen befinden.
Plötzlich stehe ich vor einem Hund, der an einem Stück
verwesendem Fell kaut. Er hat mich offensichtlich nicht bemerkt.

Erst als ich ihn anspreche, fängt er an zu kläffen und
plötzlich lebt die Müllkippe. Überall stehen Hunde
auf und beteiligen sich an dem Gekläffe.

Nur der auf dem ich stehe, bewegt sich nicht mehr. Er ist tot und
platt gefahren, ebenso die Ratten, die hier überall herumliegen.
Ich hatte ihn gar nicht gesehen, denn in diesem Dreck sieht alles
gleich aus.

„Busch, wo treibst Du Dich bloß wieder rum“, denke
ich als ein kleiner LKW oben an der Schranke hält und kaum
das sie geöffnet hat zu mir heruntergefahren kommt.

In diesem Moment laufen auch drei Jugendliche den Hang hinunter
auf mich zu, aber dann doch mehr an mir vorbei in Richtung LKW.
Es scheint so, als dass sie die ersten an der neuen Lieferung sein
wollen. Einer winkt mir zu, Fotos zu machen, wie sie den Inhalt
nach Brauchbarem durchsuchen. Ein anderer scheint mit dieser Idee
nicht einverstanden zu sein und verlangt Geld. So langsam fühle
ich mich nicht mehr wohl, deute in Richtung Tierheim und mache mich
schleunigst auf den Rückweg. Hier fühlte ich mich zum
zweiten Mal wie ein Mondmensch und wahrscheinlich sah ich sogar
so aus. Über 20 Hunde zähle ich in den nächsten Tagen
in dieser Müllkippe, sie einzufangen dürfte utopisch sein.
Hier ein Blasrohr oder eine Hundefalle aufzutreiben, wäre genauso
schwierig wie im Winter plus 30 Grad zu erwarten. Außerdem
ist unser Pensum im Tierheim abzuarbeiten. Die hier sind vielleicht
beim nächsten Mal dran?

Nun gehe ich entspannt durchs Tierheim. So schrecklich ist es gar
nicht. Es ist eben alles, wie ich bereits sagte, relativ.

Links das OP-Haus rechts der Eingang zum Tierheim, ich auf einer
Anhöhe der Müllkippe
Einige Tiere erkenne ich wieder. Sie waren zum Teil Ex-Horrops,
die sich offensichtlich auch an mich erinnern können. Manche
signalisieren mir, dass sie nicht abgeneigt wären, eine engere
Freundschaft einzugehen. Ich spreche mit Eva, sie ist eine der Vorsitzenden
des rumänischen Vereins und versuche ihr klar zu machen, dass
die Schmuseeinheiten bei den zutraulichen Hunden bestimmt nett gemeint
sind, aber dass, gerade auf einen eventuellen Wechsel nach Deutschland,
mit den ängstlichen Tieren gearbeitet werden muss. Ich wette,
dass sich mit manchen Hunden, seitdem sie hier sind, noch nie jemand
beschäftigt hat.
Allen Hunden sind nach der OP die Hütten dick mit Heu eingestreut
worden und so hat sich kein Tier eine Erkältung oder Unterkühlung
nach der Kastration zugezogen.

Mit der Fütterung bin ich nicht einverstanden. Viele Hunde
sind zu fett, was genauso schlecht ist, wie abgemagerte Tiere. Da
das Geld für eine ausschließliche Fütterung von
Fertigfutter nicht ausreicht, wird Trockenfutter mit einer Pampe
aus Essensresten gestreckt, die das städtische Gefängnis
kostenlos zur Verfügung stellt. Über Inhalte dieser Nahrung
lasse ich mich nicht aus, äußere aber meinen Unmut über
die Fütterung von Knochen. Das Wissen über Hundehaltung
bewegt sich weit unter dem Minimum.

Einige Nasen drücken sich an die Zäune. Ich will sie gar
nicht wahrnehmen, sie sollen Nummern bleiben.
Auch Carina weiß bescheid: verlieben ist strengstens verboten.
Sie versucht sich genauso daran zu halten wie wir alle, aber dann
passiert das Vorausgeahnte und das Unheil beginnt. Ein Welpe wird
zu uns gebracht. Er frisst nicht mehr und ist ausgetrocknet. Unserer
kleinen Babytierärztin müssen wir nicht groß erklären,
was es zu tun gibt und ruck zuck hängt der Zwerg am Tropf.
Und ich wette, dass in ganz Rumänien noch nie ein Hund so weich
gelegen hat, wie dieser Welpe.

Das Unheil nimmt seinen Lauf. Es werden weitere vier Welpen gebracht,
die ähnlich schlecht drauf sind und zuzüglich auch noch
Augenausfluss haben. Jetzt heißt es stark sein, aber mit 16
Jahren…?
Auch die vier bekommen eine 5-Sterne-Bettung und Versorgung und
Ines und ich gucken uns hilflos an. Ines spricht mit Carina und
ganz tapfer hört sie sich an, dass die Chancen ihrer kleinen
Welpenschar relativ gering sind. „Ich weiß…“,
nickt sie. Zwei Tage kämpft Carina tapfer einen verzweifelten
Kampf. Als uns am nächsten Morgen ein Hund gebracht wird, der
vor Kraftlosigkeit fast tot ist, werde ich sauer. Warum hat man
uns das Tier nicht schon eher gebracht. Josef beteuert seine Unschuld
und lässt uns übersetzten, dass er mir das vor einigen
Tagen bereits gesagt hat. Na toll, seit wann spreche ich rumänisch?
Scheiße. Wir erlösen den Hund.


In diesem Zustand bringt man mir den Hund

Und da ich mit den Verantwortlichen bereits ein ernstes Gespräch
über das Beerdigen der toten Hunde auf dem Gelände führte,
wird heute ein Feuer angezündet. Tote Hunde zu beerdigen ist
in Anbetracht der Seuchen, die hier herrschen, ein Unding. „Geht
gar nicht“ wie man so schön sagt.

Als es richtig heiß lodert, kommt Ines hinzu und gibt mir
zu verstehen, dass noch zwei Welpen folgen werden. Carina ist einverstanden,
so erfahren ist sie nun doch schon und versteht, dass diese Kleinen
nur noch leiden. Drei sind aber fit und trösten ein bisschen.
Ich erinnere mich an einen Hund, dessen Operation wir vor drei Tagen
ablehnten, da er stark vereiterte Augen hatte. Als ich Josef bitte,
mich zu dem Zwinger zu führen, wo dieser Hund ist, erwartet
mich am Zaun ein mit den Zähnen klappernder und am Mund schäumender
Hund, der seine Umwelt nicht mehr wahr zu nehmen scheint. Staupe
– was sonst. Vor kurzem erkrankten hier 50 Tiere an Staupe
und viele starben. Unsere Welpen und dieser sind hoffentlich die
letzten, denn man hat inzwischen begonnen, die Tiere zu impfen.
Ich schläfere ihn ein und gehe – hoffentlich – zum
letzten Mal den Weg zu unserem neuen Krematorium. Das was ich jetzt
denke und wie ich meinen Beruf finde, erzähle ich nicht.

Die Stimmung ist getrübt, niemand redet. Jeder versucht seinen
Gedanken auszuweichen. Plötzlich ein Narkosezwischenfall. Die
Hündin, die Ines gerade auf dem Tisch hat, hört auf zu
atmen. Aber jeder, der Ines kennt, weiß, dass es verdammt
schwer ist zu sterben, wenn sie in der Nähe ist. So fliegen
die Handgriffe und das Leben des Tieres ist gerettet. Manche Tage
haben es in sich…
Sechs Tage lang haben wir Vollgas gegeben und nicht eher aufgehört,
bis täglich 30 kastriert waren. 160 Tiere sind unfruchtbar
und Josef erscheint mit der Nachricht, dass keine Rüden mehr
unkastriert sind und auch nur noch sehr wenig Hündinnen. Unsere
trübe Laune ist wie weggeblasen – herrlich, dann können
wir die restlichen Tage etwas ruhiger angehen lassen und uns um
die Dinge kümmern, die ebenfalls wichtig sind.
Leider ist unsere Freude genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen
ist, denn wir stellen immer häufiger fest, dass keiner der
Arbeiter einen Plan von den Hunden und deren Haltung hat. Es gibt
Rudel, die uns als bereits kastriert verkauft wurden, aus dem einfachen
Grund, weil keiner die Hunde anfassen kann. Es dauert ewig, bis
es mir und Josef gelingt, einen nach dem anderen in Narkose zu legen
und dabei stellen wir fest, dass sich in diesen Rudeln Männlein
und Weiblein tummeln. Auch Carina kommt immer wieder aus irgendwelchen
Gehegen mit unkastrierten Tieren. Sie fängt sie am einfachsten,
denn vor einer Frau haben die Tiere weit weniger Angst. Sie bleibt
übrigens, bis auf ihren Unterarm, auch unverletzt.

Eine riesige, ruhige bildhübsche Hündin hat ein Stickersarkom
– Krebs in der Scheide. Wir operieren sie. Anschließend gast
sie auf und Ines öffnet die Kastrationsnaht erneut um eine
Magendrehung auszuschließen. Als sie wach wird trifft mich
ihr Blick und wieder kommen Erinnerungen hoch. Was diese Tiere einstecken,
ihrem Schicksal ergeben – es ist jedes Mal unglaublich. Wir
können eine Pause gebrauchen und setzen uns um die aufwachende
Hündin herum. So ein nettes Tier… ich wünsche sie
mir beim nächsten Transport mit nach Deutschland, und wenn
sie zu mir kommt. Ines…!!!

Die Stickersarkom Operationen sind eine blutige Angelegenheit.
Anschließend bekommt die Hündin eine Chemotherapie, bzw.
drei.

Jeden folgenden Tag finden wir zwischen 12 bis 16 Hunde, die noch
nicht kastriert sind und am Ende fragen wir uns, ob uns nicht doch
welche durch die Lappen gegangen sind. Die Geschlechtertrennung
funktioniert hier nach dem Zufallsprinzip und Welpen sind das letzte,
was man braucht.


Eine nette Tierärztin aus dem Ort taucht auf und möchte
unbedingt mit Ines operieren und ihre Methode lernen

Unser Ende ist schon greifbar nah, als wir Josef fragen, ob er
sich an der Vernichtung unseres „Penny“-Einkaufes beteiligen
will. Gierig schlingt er alles in sich hinein. Wir denken uns unseren
Teil, fahren am nächsten Morgen zu Penny und kaufen eine komplette
Tüte mit kulinarischen Köstlichkeiten für ihn und
seine Familie. Natürlich bleiben auch sämtliche Klamotten
von uns hier und Josefs Augen leuchten auf. Ich denke an die Zigeuner
in ihren Papphäusern, einen dünnen Josef und an den Überfluss
in unserem Land. Vieles ist relativ…
Zweihundertsechzehn Tiere sind operiert. Wir sind physisch und psychisch
ziemlich platt, haben aber unsere „Tiefs“ gut weggesteckt.
Schlechte Stimmung innerhalb des Teams kam so gut wie nie auf. Carina
war eine absolute Bereicherung und ohne sie wäre diese Zahl
nicht erreicht worden!

Auch sie hat wieder eine Lektion gelernt, denn als wir unsere Sachen
zum letzten Mal packen, kommt bitterliches Schluchzen aus dem Raum,
in dem auf einem wahnsinnigen Deckenstapel ein Welpe thront, der
zwar das Gröbste überstanden hat, aber noch lange nicht
über den Berg ist. Carina lässt ihn zurück, aber
das ist eine Entscheidung, gegen ihre Gefühle und ihr Mitleid.
Es ist eine solide medizinische Entscheidung, die richtig ist, denn
einen Welpen nach Deutschland zu schicken, der dort eventuell an
Staupe sterben kann, ist unsinnig. Außerdem hat die Veterinärbehörde
ein Ausfuhrverbot verhangen, da angeblich ein tollwutinfizierter
Fuchs gefunden wurde.
Auch in den letzten Minuten, die eigentlich dem Abschied gewidmet
sein sollten, bleibt keine Zeit für Trübsal. Ein Hund
wird uns gebracht, der nach erster Vermutung seinen Bauch komplett
mit Knochen gefüllt hat. Alles muss schnell gehen. Unsere bereits
gepackten Kisten werden in Windeseile erneut ausgepackt, die Handgriffe
fliegen. Ines hetzt Carina und mich durch die Kisten und wir ziehen,
so schnell wir können, die Notfallmedikamente auf. Ines hat
inzwischen bereits den Bauch des Hundes eröffnet und flucht,
dass sich die Balken biegen. Ein übler fauliger Geruch breitet
sich im OP aus. Immer wieder gleitet ihre Hand in den Bauch und
räumt Knochen aus, die sie vor Wut gegen die Wand schmeißt.
Wir erlauben es, denn irgendwann müssen auch ihre Gefühle
mal raus. Die Magenschleimhaut ist schwarz – fast abgestorben.
Wir rufen einen erfahrenen Kollegen in Deutschland an, ob er noch
eine Idee hat, aber der Hund ist nicht mehr zu retten. Zwei Mal
können wir ihn am Hinübergleiten hindern, ein drittes
Mal lassen wir ihn gehen. Ich spritze das restliche Adrenalin in
den stinkenden Haufen Knochen.

Bei dem anschließenden Gespräch nehme ich kein Blatt
vor den Mund. Immer wieder werden wir in Tierheime gerufen, die
mit einer Anzahl von 300 Tieren noch zu den kleineren gehören.
Die Tierheime quellen über, nichts funktioniert, vom nichtvorhandenen
Geld einmal ganz zu schweigen. Aber trotzdem nehmen die tierlieben
Verantwortlichen immer wieder Hunde auf, weil sie sonst auf der
Straße sterben. Ich bin stinksauer. Zählen denn nur die
Toten auf der Straße? Sind immer nur die Stadtverwaltungen
die Bösen, die Hundefänger oder die Tierärzte mit
der Todesspritze? Wer zählt denn die Toten im Tierheim? Wer
zählt die, die qualvoll an Staupe oder an Parvo sterben? Sie
sterben einen teilweise wochenlangen Todeskampf. Von der Gefahr
für die anderen Tiere einmal ganz abgesehen. Tierheime, die
an ihrer Aufnahmegrenze arbeiten oder darüber, haben KEINEN
einzigen Hund von draußen mehr aufzunehmen, egal was mit ihm
passiert. An diesem Punkt haben Mitleid und Gefühle NICHTS
mit einem soliden Tierschutz zu tun. Hätte man mehr Geld für
anständiges Futter, wäre der Hund an den verfluchten Knochen
nicht gestorben. So sorry, aber das musste mal raus.


Eva im Gespräch mit den Arbeitern

Es gibt in diesem Tierheim noch unendlich viel zu tun und zu verbessern.
Aber Bruno Pet geht den richtigen Weg und hat auch schon viel geschafft.
Sie arbeiten noch nicht lange mit diesem Tierheim zusammen, haben
aber verstanden, dass die medizinische Versorgung der erste und
wichtigste Schritt ist, um das Tierheim auf den richtigen Weg zu
bringen. Dazu gehören die zweimalige Impfung im Abstand von
3-4 Wochen, das Chippen und die Kastration. Dann folgt die Fütterung
und zuletzt der Komfort in Form von verbesserten Zwingern, Hütten,
Zäunen, Rudelzusammensetzung… Erst wenn diese Dinge erreicht
sind, darf sich das Herz wieder melden und dem Neuling, der Hilfe
benötigt, die Tür öffnen.
Der Tierärztepool ist glücklich, an diesen Verbesserungen
mitarbeiten zu dürfen und ist sich sicher, dass viele Anregungen
befolgt werden. Die Hunde und die Arbeiter sind uns ans Herz gewachsen
und wir wünschen uns, dass Bruno Pet von Ihnen, meine lieben
Tierfreunde, die entsprechende Unterstützung erhält, um
weiterhin einen soliden Tierschutz betreiben zu können, um
ihn am Ende sogar mit Gefühlen, Mitleid und Herz füllen
zu dürfen.
Ob das am Anfang meines Berichtes benutzte Zitat zutrifft oder nicht,
überlasse ich Ihnen.

Ihr
Thomas Busch

Anhang:
Impressionen einer wunderschönen rumänischen Landschaft

Und auch Expressionen…


…und glauben Sie ja nicht, dass dies Ding nicht mehr in Benutzung
ist!


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